Mittellatein
Mittellatein (Mlat). Zur Zeit Karls d. Gr. war das spätantike Latein vulgarisiert, in Aussprache und Grammatik so weit heruntergekommen, dass es eher den gesprochenen romanischen Idiomen als dem klassischen Latein glich (s. Vulgärlatein). Karl griff, als er Latein zur Verwaltungssprache machte, auf eine konservierte Form des klassischen Latein zurück, wie sie von den Kirchenvätern Augustinus und Hieronymus auf literarischem Niveau gepflegt wurde und die wohl am lautersten in irischen Klöstern überdauert hatte: das sog. Mittellateinische. Ausschlaggebender Grund für die Entscheidung Karls war der Umstand, dass Latein die Sprache der Kirche war, auf die sich Karl bei der Erweiterung und Verwaltung seines Reiches stützte, und die Kirche sorgte dafür, dass alle Kleriker eine zumindest elementare Kenntnis des Lateinischen hatten. Mlat. wurde während des ganzen MA. als Liturgie- und Amtssprache der kath. Kirche verwendet, daneben als Sprache der Wissenschaft und des Rechts. Vorlesungen an den Universitäten wurden grundsätzlich in Latein gehalten, und so hatten sich alle Studenten im propädeutischen "Trivium" als grundlegendes Wissen lat. Grammatik, Rhetorik und Dialektik anzueignen. (Latein - allerdings in einer der klassischen Sprechweise angenäherten Form - sollte bis ins 19. Jh. die universitäre Lehrsprache bleiben.)
Der mhd. Ausdruck "bouchisch" bezeichnete Latein noch selbstverständlich als "Sprache des Buches". Das Mlat. kann als "Kunstsprache" verstanden werden, als ein zwar lebendes, aber keiner ethnischen Gruppe zuzuordnendes Idiom. Mlat. war die Kult- und Kultursprache der clerici und litterati, der Intellektuellen im gesamten Abendland. Von Laien wurde es nicht oder nur bruchstückhaft verstanden, woraus ein flächendeckendes Problem der Zweisprachigkeit entstand.
(s. Glossar, Interlinearversion, karolingische Renaissance)