Prostituierte

Aus Mittelalter-Lexikon
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Prostituierte (von lat. prostituere = sich vorn hinstellen, darbieten. Auch mhd. huore, ribe, gelustec vrouwelin, wandelbaere vrouwe, hübschlerin, gemeyn frauw, offene vrouw, veile frouw, lichte fröwlein, übeliu wip, unwip, freye töchtterl, vensterhenne, spontzierinen usf.; soweit es sich um nicht in einem Bordell arbeitende, sondern um Trossweiber oder fahrende Frauen handelte, auch trippaniersen oder soldiersen; lat. meretrix, meretricula). Frauen und Mädchen, die sich gewerbsmäßig zur Befriedigung des männlichen Geschlechtstriebs bereitfanden, waren zwar geduldet, in städt. ®Bordellen und gewissen ®Badhäusern sogar fest angestellt, stets jedoch als "unehrlich" an den Rand der Gesellschaft abgedrängt. Andererseits genossen sie als "Vitalpersonen" ein gewisses, gleichsam magisches Prestige, woraus sich wohl ihre Anwesenheit bei hohen weltlichen Festen erklärt (Festpromiskuität).
Förderlich für die Prostitution war zum einen die Ansicht, dass regelmäßig und mäßig genossener Geschlechtsverkehr gut für die männliche Gesundheit sei und dass der Bordellbesuch keinen Ehebruch darstelle, zum anderen die Tatsache, dass geistliche und weltliche Herrschaften als Konzessionäre der Freudenheäuser von deren Einnahmen profitierten.
Die wenigsten "freien Töchter" hatten aus freien Stücken, ohne moralischen, physischen oder finanziellen Zwang die Hurenlaufbahn eingeschlagen. Viele waren durch den Tod der Eltern frühzeitig schutzlos und anfällig geworden, wurden von Verwandten zur Prostitution gedrängt oder von Kupplern dazu gezwungen. Andere Mädchen waren nach offener Vergewaltigung der gesellschaftlichen Ächtung verfallen, fanden keinen Weg mehr in der bürgerlichen Gesellschaft und sanken in die Prostitution ab. Wieder andere kamen als Dienstmägde oder sonstige niedere Angestellte über gelegentliche Sexualkontakte in die Hände von Kupplerinnen (vuegerinne, ufmacherinne, huormacherinne) oder Zuhältern (ruffian, buolian, pulian). Das Alter der Huren war bei Nichtsesshaften äußerst unterschiedlich; in den Städten waren die Neulinge, die "heimlichen Mädchen", zwischen 11 und 17, die attraktiven Hostessen in den Badhäusern um 20 und die im Bordell eingemieteten über 25 Jahre alt. Spätestens mit 30 mussten sie an das Ende ihrer Karriere denken. Nur wenige fanden dann Aufnahme in einer Gemeinschaft der ®Reuerinnen oder in einer Einrichtung wie dem Hieronymuskloster, das Heinrich von Pottendorf 1382 in Wien für bekehrte "gemeine frauen" gegründet hatte, oder konnten als Leiterin eines Badhauses im Metier bleiben. Manche fanden den Weg aus der "Unehrlichkeit" heraus in die Ehe oder in den Haushalt eines Priesters. Viele endeten in Bettelei oder als Kostgänger mildtätiger Stiftungen.
Neben den privilegierten Insassen städt. Frauenhäuser gab es stadtsässige Dirnen, die unregistrierte Winkelprostitution betrieben und fahrende Weiber (trippaniersen [v. mnld. tripiere = Hure] oder soldiersen [eigtl. = Soldatenweib]; lat. veneres vulgivagae), die ihr Gewerbe bei Messen, Reichstagen, Konzilien und anderen Großveranstaltungen trieben oder den Heerhaufen folgten. Beim Reichstag von 1394 sollen in Frankfurt mehr als 800 Dirnen zusammengekommen sein. Beim Konzil von Konstanz wurden ihrer an einem Tag 700 gezählt, während der gesamten Dauer von 1414 bis 1418 sollen sich insgesamt 1.500 Dirnen in der Stadt aufgehalten haben. Zum Basler Konzil (1431 - 1449) zählte man angeblich 1.800 fahrende Frauen.
Eher auf heimlich-unheimliche Weise wurden Liebesdienste in Mahlmühlen verrichtet.
Allgemeiner Brauch war, dass sich Huren durch grellfarbige Abzeichen kenntlich machen mussten. Diese waren von Stadt zu Stadt verschieden, hier waren gelbe Schleier, Mäntel, Tüchlein oder Bänder, dort rote Kappen, woanders grüne Schleier und Gebende vorgeschrieben. (Gelb, insonders das grelle Schwefelgelb, war die diffamierende Farbe des Teufels, der Dämonen und Hexen; rot galt als Farbe der Lebensfreude, Grün stand für das frische Sprossen der Liebe.) - Kostbarer Kleiderschmuck aus Veh oder Seide sowie goldene Spangen und Gürtel waren bei Strafe verboten. Mancherorts mussten sie einen geringen Grundzins entrichten, war ihnen der Aufenthalt in der Stadt an Sonntagen und während der Fastenzeit streng verboten. Das im Volksglauben wurzelnde Blick- und Berührungstabu wurde auch auf Dirnen bezogen, denen daher – wie Aussätzigen – das Berühren von Lebensmittel verboten war.
(s. Reuerinnen, Sexualität)