Wolfram von Eschenbach

Aus Mittelalter-Lexikon
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Wolfram von Eschenbach (um 1170 - um 1220). Über Herkunft und Biographie ist nichts Verlässliches bekannt. Möglicherweise aus Eschenbach bei Ansbach stammender Autodidakt, als Lehnsmann eines fränk. Grafen wenig begütert. Obwohl verheiratet und Vater mehrerer Kinder, war er meist als wandernder Dichter und Sänger im Main-Odenwaldgebiet und in Thüringen, später auch im steirischen Raum unterwegs. Er hatte Beziehung zu dem Landgrafen Hermann von Thüringen und lebte zeitweilig auf einer Burg Wildenberg, die er in seinem Parzival als Munsalvaesche verewigte. Zuletzt soll er – wohl als Dienstmann des Grafen Boppo von Wertheim – in Eschenbach gelebt haben, das sich päter ihm zu Ehren Wolframs-Eschenbach benannte. In der Frauenkirche seines Heimatortes soll er begraben sein.
Sein Hauptwerk, der Parzival, entsteht zwischen 1200 und 1210 und umfasst 25.000 Verse in 16 Büchern. Literarische Quelle für den Parzival war wohl der Perceval (um 1180) des Franzosen Chrestien de Troyes. Das Epos ist von tiefer, kirchlich nicht gebundener Frömmigkeit geprägt. Zu der ritterlichen Idealwelt des Artushofes kommt das religiöse Moment der Gralsgemeinschaft. Die Ritterorden der Kreuzzüge dürfen als prägendes Motiv für das Parzival-Epos angenommen werden. Unter dem Titel "von der edeln steine geslehte" nennt Wolfram 58 Steinnamen und beschreibt die jeweiligen Eigenschaften. Als Vorlage hat er wahrscheinlich das Lapidarium ®Marbods benutzt.
Außer wenigen Liedern haben sich das fragmentarische Epos ®Titurel (nach 1210; die Erzählung einer Kinderminne) und das unvollendete höfische Epos ®Willehalm erhalten, das auf frz. Heldensagen zurückgeht und in dunkler, manirierter Sprache gehalten ist. (Zum "Willehalm" Wolframs, entstanden nach 1212, schrieb ®Ulrich von dem Türlin um 1260 eine Vorgeschichte und ®Ulrich von Türheim um 1250 eine unvollendete Ergänzung.) Die mit der Parzivalmäre verflochtene Märe von Schionatulander und Sigune behandelt Wolfram in einem lyrischen Epos in Strophen, lässt das Werk aber als unfertige Skizze zurück. Gleichwohl zählen die darin enthaltenen Minnegespräche zu dem Schönsten der mhd. Minnelyrik. Wolfram gilt als der nachdenklichste, ideenreichste und eigenwilligste der mhd. Dichter und als der eigentliche Schöpfer des dt. Tage- und Wächterliedes. Von den Meistersingern wurde er zu den zwölf Gründern ihrer Kunst gerechnet (s. Zwölf Alte Meister). Selbst in die Sagenwelt wurde er aufgenommen und besiegte im Sängerkrieg auf der Wartburg den Zauberer Klingsor. Als Textbeispiel eines seiner Tagelieder:

Der tac mit kraft durch diu venster dranc.
vil sloze sie besluzzen. [sloze = Riegel]
daz half niht: des wart in sorge kunt.

diu vriundin den vriunt vast an sich twanc.
ir ougen diu beguzzen
ir beider wangel. sus sprach zim ir munt: [zim = geziemend]
"zwei herze und einen lip han wir.
gar ungescheiden unser triuwe mit einander vert.
der grozen liebe der bin ich gar verhert
wan so du kumest und ich zuo dir".
[ungescheiden = untrennbar; liebe = Lust, Freude; verhert = besiegt]