Analphabeten

Aus Mittelalter-Lexikon
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Analphabeten (grch. analphabetos = ein Schreib- und Leseunkundiger; auch: illiteratus, inscius litterarum = ein der Buchstaben Unkundiger). Im FMA. waren alle Laien Analphabeten, was nicht als diskriminierend oder minderwertig empfunden wurde; Analphabetentum war nicht mit Bildungslosigkeit gleichzusetzen und war von keinerlei Bedeutung hinsichtlich des sozialen Ranges. Erst vom 12. Jh. an wurde unter den – ansonsten vielfach hochgebildeten – Laien der Oberschicht auch die Lese- und Schreibkunst üblich. Die schreib-, lese- und lateinkundigen litterati waren bis dahin ausnahmslos Kleriker. (Berthold von Regensburg: "Wan ihr leien niht lesen kunnet als wir pfaffen".) Daneben gab es Leute, die zwar lesen aber nicht schreiben konnten (Semianalphabeten); unter solche dürften viele der Vorleser und Vorleserinnen zu zählen sein. Bis zum Ende des MA. war die Lese- und Schreibfertigkeit in den gehobenen Schichten weitgehend Allgemeingut geworden. Nunmehr wurden Analphabeten – Bauern und Stadtproletariat – wegen ihrer Bildungslosigkeit verächtlich gemacht.
Von den Einwohnern ma. Städte waren einzig die Juden fast ausnahmslos lese- und schreibkundig; dies war darin begründet, dass es als gottgefällig und verdienstvoll galt, Bibel, Midrasch und Talmud lesen zu können. Die Eltern und die Gemeinde wandten beträchtliche Summen auf, um den Kindern eine gute Bildung zukommen zu lassen. Schon im 11. Jh. besaß jeder Schüler sein eigenes Buch, ein für die damalige Zeit großer Luxus.
Der Anteil lese- und schreibkundiger Laien an der städtischen Bevölkerung am Ende des MA. wird auf 10 bis 30% geschätzt.