Averroismus

Aus Mittelalter-Lexikon
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Averroismus. Im 13. Jh. fanden die Lehren des arab. Philosophen Averroes besonders an der Universität von Paris großen Anklang. Das Postulat eines einzigen, überpersönlichen Intellekts, an dem alle menschlichen Einzelwesen teilhätten (Monopsychismus), und die Annahme einer "doppelten Wahrheit" (derzufolge etwas philosophisch wahr und zugleich in der Religion unwahr sein kann) erregte den Zorn der orthodoxen Theologen. Besonders scharf reagierte Thomas von Aquin, auf dessen Betreiben der Pariser Bischof Tempier 1270 und 1277 die Averroisten anathematisierte. Zu den 219 verurteilten Thesen gehörten auch die folgenden: nichts ist zu glauben, es sei denn evident oder aus Evidentem abzuleiten; die Reden der Theologen sind in Mythen begründet; die Weisen der Welt sind ausschließlich die Philosophen; Enthaltsamkeit als solche ist keine Tugend; die christl. Lehre verhindert den Fortschritt der Wissenschaft; Glückseligkeit ist diesseitig, nicht jenseitig. - Einige Magister der Pariser Artesfakultät – z.B. Siger von Brabant und Boethius von Dazien – vertraten extrem averroistische Standpunkte, wie: Gott habe kein Vorauswissen künftiger Kontingenzen, die Dauer der Welt sei unbegrenzt (die Schöpfungsgeschichte und die Annahme des Jüngsten Gerichts seien demnach bloße Mythen). Die Kirche konnte nicht anders, als den Averroismus insgesamt als Häresie zu verdammen – stufte er doch die Religion und ihre Glaubenssätze zu vergleichsweisen Primitivismen neben der Philosophie als höchster Form menschlichen Wissens ein.