Boethius

Aus Mittelalter-Lexikon
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Boethius, Anicius Manlius Severinus (um 480 - 524). Römischer Aristokrat, Staatsmann und Philosoph. Er diente als Diplomat unter Theoderich d. Gr., wurde Konsul (510) und Aufseher der Ämter ("magister palatiae", 522); des Verrats bezichtigt, wurde er 524 hingerichtet. Durch seine Übersetzungen aristotelischer Schriften und seine Kommentare dazu wurde er zu einem der wichtigsten Vermittler des klassischen Denkens an das MA., zum "ersten Scholastiker". Außer dem Werk des Aristoteles kannte er das vollständige Werk Platons. Er unternahm im Rahmen seines "Konkordanzprogramms" den Versuch, Beider Lehren so zu interpretieren, dass die fundamentalen Gemeinsamkeiten die Differenzen überwogen, dass der Eindruck von Übereinstimmung (concordantia) erweckt wurde. Er trieb naturwissenschaftliche, technische und mathematische Studien, verfasste Schriften zu Fragen der Logik, der Musiktheorie, der Arithmetik, Geometrie und Astronomie. Die Lehren des Augustinus waren ihm bekannt, dessen antihumanistische Gnaden- und Vorbestimmtheitslehre musste seinem in der Antike wurzelnden Weltverständnis fremd bleiben. Im Kerker entstand sein letztes und bekanntestes Werk, "De consolatione Philosophiae" ("Vom Trost der Philosophie"), in welchem er mit der personifizierten Philosophie tiefsinnige und tröstliche Zwiesprache über das Menschenschicksal hält. Obwohl dieses Werk noch ganz in der Denktradition der Antike steht, wurde es dem kirchenväterlichen Schrifttum zugerechnet und blieb bis ins 17. Jh. eines der meistgelesenen philosophischen Bücher. Von großer Wirkung waren seine Schriften zum Quadrivium, seine Übersetzungen von Platon und Aristoteles, seine Kommentare dazu und seine theologischen Schriften.