Hexenwahn

Aus Mittelalter-Lexikon
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Hexenwahn. Im 14. Jh., einem Jahrhundert der Krisen und Ängste, nahm der Hexenglaube erstmals wahnhafte Züge an. Die Kirche und das Volk brauchten – bewusst wie unbewusst – Sündenböcke für die apokalyptischen Schrecken der Zeit. Die Urheberschaft von Hungersnöten, Erdbeben, Pest und anderen Seuchen, Abendländischem Schisma, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen wurde in das Judentum und in die Fiktion „Hexe“ bzw. „Hexensekte“ projiziert. Als weitere mentalitätsgeschichtliche Grundlagen des Hexenwahns werden genannt: Die vermehrte Hinwendung der Heiligen Inquisition zur Hexensekte, nachdem die großen Ketzersekten (Katharer, Waldenser) fast völlig ausgerottet waren; das durch dualistisches Glaubensgut (dem der Satan als mächtiger Herrscher gilt) stimulierte Interesse der Theologen an der Dämonologie; die vermehrte Auseinandersetzung der Gelehrten mit arabischer Magie; die scholastischen Lehrsätze von der Minderwertigkeit und prinzipiellen Sündenanfälligkeit der Frau, von Teufelspakt und Teufelsbuhlschaft, von succubus und incubus usf.; der fanatisierende Einfluss der Volksprediger, die das Hexenunwesen in drastischen Schreckensbildern darstellten und oft regelrechte Hexenjagden auslösten; die Überzeugung des Volkes, jedes Missgeschick sei durch Dämonenwerk oder Hexenzauber verursacht; die mit frappierender Übereinstimmung sich wiederholenden „Geständnisse“ befragter Hexen; die allmähliche Aufwertung der Rechtsstellung der Frau und Emanzipationsbestrebungen von der munt der Männer, durch welche sich die bis dahin alleinbestimmende Männergesellschaft verunsichert und – quasi von einer weiblichen Solidargesellschaft – bedroht sah. (Der Umstand, dass die Hexenverfolgung erst im 16./17. Jh. kulminieren und den Charakter einer Massenhysterie annehmen sollte, lässt viele Autoren „Hexenwahn“ erst für diesen Zeitraum annehmen. Wie auch immer: Die theoretischen, „wissenschaftlichen“ Grundlagen dafür waren im Mittelalter geschaffen worden.)