Johannes Hartlieb

Aus Mittelalter-Lexikon
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Hartlieb, Johann (Selbstnennung „johannes Hartliepp, medicine doctor“ bzw. „doctor jn ertznej“; um 1400 - 1468). Arzt von großem Renommee, Übersetzer, Kommentator und Verfasser vieler Schriften. Er wurde wahrscheinlich in Neuburg a.d. Donau geboren, als Sohn des Wilhelm Hartlieb, Kellermeisters am Wittelsbacher Hof von Bayern-Ingolstadt. So kam er schon als Kind mit der höfischen Welt in Berührung und erwarb die Gunst von Herzog Ludwig VII. Auf einer Pilgerreise nach Rom (1423) konnte er an dem Inquisitionsprozess gegen eine wegen Hexerei angeklagte Frau teilnehmen und bekam erste Einblicke in die Welt der Zauberei. Ende der 20er Jahre stieg er in den Rang eines herzoglichen Rats auf. 1432 erwarb er, wahrscheinlich in Padua, das Bakkalaureat und 1439 promovierte er – schon als doctor artium – in Padua zum Doctor der Medizin. 1440 fand er Anstellung am Hof Albrechts III. von Bayern-München und heiratete dessen Tochter Sibilla aus erster Ehe mit der Augsburger baderstochter Agnes Bernauer. Als „gener Alberti ducis“, als dessen Hofarzt und Berater (ratmaister), als Diplomat und Übersetzer lateinischer Schriften machte er eine steile Karriere am Münchener Herzogshof. 1442 wurden die Münchener Juden aus der Stadt vertrieben, wobei Hartlieb eine zentrale Rolle gespielt zu haben scheint. Er bekam im Anschluss an die Exilierung zum Dank die ehemalige Synagoge übereignet und widmete sie zu einer Marienkapelle um.
Hartlieb erwarb – nicht zuletzt aufgrund seiner Betätigung als pharmazeutischer Unternehmer und als Anteilseigner an Ammergauer Goldgruben – ansehnlichen Wohlstand und besaß mehrere Häuser in München. 1460 wurde er nach dem Ableben Herzog Albrechts III. als Leibarzt Herzog Sigmunds berufen. Um 1467 erkrankte er schwer und starb 1468.
Die Urheberschaft vieler Werke, die dem Johannes Hartlieb zugeschrieben wurden, ist wohl anderen Trägern dieses Namens zuzuordnen. Zweifelsfrei dem Johannes Hartliepp, medicine doctor zuzuschreiben sind die folgenden Schriften:
"Kunst der gedächtnüßs", ein Trainingsanleitung für das Erinnerungsvermögen alternder Menschen, ist um 1430/32 im Auftrag Herzog Ludwigs VII. von Bayern-Ingolstadt entstanden. Es ist überwiegend aus Anleihen aus lateinischen Vorlagen kompiliert und enthält nur wenige eigene Beiträge.
Sein "Kräuterbuch" ist das einzige durchgehend illustrierte Werk dieser Art in deutscher Sprache vor der Einführung des Buchdrucks. Es ist um 1450 entstanden, gibt in 172 Kapiteln eingehende Beschreibungen der Arzneipflanzen, nennt ihre lateinischen und deutschen Namen, ihre ® Qualität und medizinische Wirkung. Hauptquelle war das "Buch der Natur" des Konrad von Megenberg. Bezeichnend für Hartliebs medizinisch-pharmazeutische Interessenslage ist die rigorose Weglassung aller allegorischen Auslegungen.
"De amore", eine Übersetzung des Liebestraktats „De amore“ von Andreas Capellanus, gefertigt vor 1439 für Herzog Albrecht VI. von Österreich, den Bruder des nachmaligen Kaisers Friedrich III.
„Die Histori von dem großen Alexander“ (1442/43), eine äußerst erfolgreiche und weitverbreitete Übersetzung des Alexanderromans, bearbeitet für Herzog Albrecht III. von Bayern und seine zweite Gattin Anna, Prinzessin von Braunschweig.
„die kunst Ciromantia“, Übersetzung einer lat. Chiromantie (Handlesekunst), 1448 der Herzogin Anna dediziert.
Das „puoch aller verpoten kunst vngelaubens vnd der zaubrey" (begonnen um 1450). Dieses Werk, das den „Tractatus de superstitionibus“ des Nikolaus Magni de Jawor zur Vorlage hat, wurde vorgeblich geschrieben, um den Auftraggeber Hartliebs, Markgraf Johann von Brandenburg-Kulmbach, von den magischen Wissenschaften abzuhalten. Es enthält detaillierte Darstellungen zu Losbüchern, Wahrsagerei und magischen Praktiken (wie nigramancia, faren in den lüften, ungentum Pharelis (s. Hexensalbe), pild und atzman von wachs). Hartlieb gibt vor, die Magie von der Naturwissenschaft her widerlegen zu wollen, steckt jedoch zutiefst in den abergläubischen Vorstellungen seiner Zeit. So sei Wahrsagerei aus einem Totenschädel nicht deshalb zu verwerfen, weil sie abergläubischer Unsinn sei, sondern weil sie nur mithilfe eines Dämons funktioniere, also Teufelswerk sei.
Das "Mondwahrsagebuch" (handschriftlich überliefert 1433 und 1435).
"Navigatio Sancti Brendani", eine seinerzeit populäre Legende um den Hl. Brendan und um seine mehrjährige Irrfahrt, die er in Begleitung einiger Mönche in einem Lederboot auf der Suche nach dem "Land der Verheißung" im "Westmeer" unternommen haben soll; von Hartlieb um 1445 für Herzogin Anna übersetzt. Hartliebs Brendan-Legende geht auf die lat. "Vita Brandani" (9. Jh.) und auf die um 1050 daraus entwickelte "Navigatio Sancti Brendani abbatis" zurück.
„Dialogus miraculoreum deutsch“, um 1440 für einen Münchener Patrizier Hans Püterich (d.Ä.?, d.J.?) nach den Distinctionen sieben bis zwölf des "Dialogus" des ®Caesarius von Heisterbach übersetzt.
„Secreta mulierum deutsch“, glossierte Übersetzung des sexualkundlich-gynäkologischen Traktats eines anonymen dt. Autors, erschienen unter dem Namen des Albertus Magnus, gewidmet Herzog Sigmund (um 1460). – Eine Abschrift des Werks wurde auf seinen Wunsch hin für Kaiser Friedrich III. gefertigt.