Lügendichtung

Aus Mittelalter-Lexikon
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Lügendichtung (Lügenrede, Lügengedicht, Lügenmärchen, Lügenquodlibet [v. lat. quod libet = was beliebt], Unsinnspoesie). Literaturform, die der Fabulierlust der Zeit Raum gibt und bei welcher Unsinniges, erkennbare Lügen oder als wahr hingestellte Berichte von unmöglichen Dingen in beliebiger (quodlibetalischer) Reihung oder nach Themen geordnet dargeboten werden. Beispiele finden sich in mittellateinischem (Vagantenlyrik) und in mittelhochdeutschem Schrifttum (so beim Stricker, bei Reinmar von Zweter, bei Suchenwirt, beim Marner und bei Rosenplüt).
Beispiele bildhafter Lügen: Vom Schlaraffenland wird berichtet, dass dort Gänse gebraten und gepfeffert, mit Brot im Schnabel, den Bratspieß im Bürzel und dem Tranchiermesser im Rücken, zur Selbstbedienung einladend einherwatscheln. – Einem Medicus wird nachgesagt, seine Kunst verstünde Mühlsteine vor dem Ertrinken zu retten, Böcke auf Bäumen tanzen zu lassen und Backöfen fliegen zu machen. – Der Ehe zwischen einem Essigkrug und einem alten Sattelgeschirr seien als Söhne Alexander der Große, Kaiser Ermenrich, der Zwerg Elberich und ein dreiköpfiger Riese entsprungen. – Nicht glaubhafter sind die Behauptungen, dass man aus Eis gut Feuer machen könne, dass ein Frosch auf einem Pfirsichkern ein Ritterschloss bewohne oder dass ein Handloser ein endloses Seil fertigen könne.