Meister Eckhart

Aus Mittelalter-Lexikon
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Meister Eck(e)hart (Eckhardus Teutonicus, Eckart von Hochheim; um 1260 - 1328). Er entstammte einer thüringischen Adelsfamilie aus Hochheim bei Erfurt, trat 1277 dem Dominikanerorden zu Erfurt bei, ging als 17jähriger zum Artes-Studium an die Ordenshochschule in Köln, wo er Schüler Alberts d. Gr. war, später nach Paris (um 1293 und um 1300), wo er 1302 den Magistertitel der Theologie (magister sacrae theologiae) erwarb. 1303 wurde er zum Provinzial der neu eingerichteten Ordensprovinz Sachsen ernannt. In dieser Eigenschaft gründete er die Konvente von Braunschweig, Dortmund und Groningen. 1307 übernahm er zusätzlich das Generalvikariat der böhmischen Provinz. 1311 wurde Eckhart erneut „ad legendum“ an die Pariser Universität berufen. Von 1311 bis 1313 leitete er als magister actu regens das studium generale des Ordens in Paris, 1314 und 1316 ist er in Straßburg nachzuweisen, dann 1323 - 27 in Köln, wo er als Prediger nicht nur an der eigenen Ordenskirche tätig war. Zu seiner Lehrtätigkeit kam die Teilnahme an Konventen und Generalkapiteln seines Ordens sowie die Seelsorge an den 65 Frauenklöstern der süddeutschen Ordensprovinz. In seinen in dt. Sprache gehaltenen, wortgewaltigen Volkspredigten entwarf er ein mystisches Bild von einer unmittelbaren Begegnung der gläubigen Seele mit Gott (unio mystica), wobei ihm Kirche und Schrift nicht von wesentlicher Bedeutung waren. Erst wenn man Gott nicht mehr mit Eigenschaften wie mit alten Kleidern behänge, sondern ihn "ane wise", ohne jede (vorgefasste) Weise suche, werde man ihn finden. Damit, dass Eckart versuchte, den Laien direkten Zugang zur christlichen Lehre, ohne Vermittlung des gelehrten Klerus - samt seiner Gnadenmittel und seines Lehrprimats - zu verschaffen, musste er sich der Kirche häresieverdächtig machen.
Eckharts Philosophie neigt dem Neuplatonismus zu und besagt, dass alles Sein von der Form (Idee) und nicht von der Materie herkommt. Dabei werden Gott und alles wahrhaft Seiende in eins gesetzt. Das Materielle und damit notwendig Fehlerhafte ist nach Eckhart kein wahrhaft Seiendes.
Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch betrachtete Eckhart nicht als eines von Herrn und Knecht, sondern als eines durch gleichmachende Liebe Verbundener. Aus diesem Gedanken vom Einswerden von Mensch und Gott sowie aus der Einsicht, dass Gott nicht rational bestimmbar, sondern nur seelisch erfühlbar sei, erwuchs die Mystik Eckharts.
Eckharts Texte sind von der Paradoxie gekennzeichnet, mit Worten das Unsagbare sagen zu wollen: "waz klarheit an göttlicher nature si, daz ist unsprechlich". Als Übersetzer zahlreicher scholastischer Begriffe wird Eckhart zu einem der bedeutendsten Sprachschöpfer des Deutschen: von ihm stammen unter vielen anderen die Wörter: Eigenschaft, Begriff, entdecken, eigentlich, Verlassenheit, Erhabenheit.
Seine Lehren, vor allem seine Ablehnung des alleinseligmachenden Heilsapparates der Kirche, brachten ihm 1326 einen Häresieprozess vor dem erzbischöflichen Gericht zu Köln ein. Er bestritt die Kompetenz seiner Untersuchungsrichter sowohl in juristischer wie in intellektueller Hinsicht, wurde jedoch trotz eines entlastenden Gutachtens seines Confraters, Nikolaus von Straßburg, wegen angeblich häretischer Glaubensaussagen verurteilt. Daraufhin appelierte er an den apostolischen Stuhl in Avignon; dessen Entscheid wollte er sich in jedem Falle unterwerfen, jedoch starb er im April 1328, bevor ein endgültiges Urteil gesprochen worden war. Nach seinem Tod wurde ein Teil seiner Lehrsätze von Papst Johannes XXII. mit der Bulle "In Agro Dominico" (27. März 1329) als pantheistisch verdammt. Seine Schriften verfielen endgültig der fast vollständigen Vernichtung, nachdem Gregor XI. und Kaiser Karl IV. zur gründlichen Ausrottung häretischer Ansichten verfügt hatten, dass "alle Bücher, Schriften und Predigten in der Volkssprache" zu verbrennen seien. Die Verurteilung Eckarts als Ketzer zwang seinen Orden, sich von dem zu Lebzeiten so gefeierten Meister zu distanzieren.
Von Eckhart sind über 60 lateinische und deutsche Predigten überliefert. (Sie finden sich in der Sammlung "Paradisus anime intellectis" - "Paradis der fornuftigen sele", entstanden zur Zeit von Eckharts Saxonia-Provinzialat (1303-11) im Erfurter Dominikanerkloster. Außer den 64 Eckhartschen Predigten sind etwa gleichviel Predigten anderer, namentlich genannter Prediger enthalten, zumeist dem Dominikanerorden zugehörig.) Das zentrale Motiv ist die Erkenntnis Gottes durch die Kraft des Geistes, daneben das der göttlichen Herkunft der menschlichen Seele und deren Sehnsucht nach der Wiedervereinigung mit Gott.
Das theologische Hauptwerk Eckharts, das "Opus tripartitum", ist unvollendet geblieben. Der erste Teil ("Opus propositionum") sollte "tausend und mehr" Thesen und Erklärungen enthalten, die im zweiten Teil ("Opus quaestionum") hinterfragt und im dritten Teil ("Opus expositionum") anhand der Bibel bewertet werden sollten. Das "Opus propositionum" hatte den "Liber de causis" und die "Elementatio theologica" des Proclos zum Vorbild und sollte grundlegend für die beiden folgenden Teile sein. Das "Opus quaestionum" enthält Fragen und Antworten in der scholastischen Form der quaestiones; diese folgen dem Themenkatalog der "Summa theologiae" des Thomas von Aquin. Im dritten Teil finden sich Kommentare zur Genesis und zum Buch Exodus, ferner ein Kommentar zu den Gleichnisreden (parabolae) der Genesis, ein Kommentar zum Buch der Weisheit und einer zum Johannesevangelium. (Nach Kurt Flasch stellt der Eckhartsche Johanneskommentar "ein Hauptwerk der mittelalterlichen Philosophie" dar.)