Missgeburten

Aus Mittelalter-Lexikon
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Missgeburten (Miss-, Fehlbildungen; mhd. misse-, miswahs; lat. deformitas corporis, monstrum, monstrosi homines; grch. teras = ein wunderliches Wesen). Vorgeburtlich angelegte, durch genetischen Defekt verursachte Fehlbildung eines menschlichen oder tierischen Körpers bzw. einzelner Organe. Von der üblichen Form abweichende Wesen galten als unnatürlich und gaben Anlass zu Erklärungsversuchen. In der Antike wurde angenommen, dass ein Überschuss an „weiblicher Materie“ bei der Befruchtung zur Ausbildung von überzähligen Körperteilen führe, während deren Mangel zu einer fehlerbehafteten Gestalt oder zu gänzlich fehlenden Körperteilen führe. Nach christl. Lehre konnte die göttliche Schöpfung nur harmonische Wohlgestaltungen hervorbringen; in Abweichendem, Abscheuerregendem dagegen erkannte man eine Strafe Gottes (etwa für Zeugung in „unnatürlicher“ Stellung oder zu verbotener Zeit {an kirchl. Feiertagen, während der Menstruation}), auch für Geschlechtsverkehr mit dem Satan, ferner ein Vorzeichen böser Geschehnisse, die Folge schwerer körperlicher Arbeit oder eines Unfalls. Im Aberglauben sah man Erklärungen in der Unterschiebung eines Wechselbalgs, in Schadenszauber durch den Bösen Blick, in einem „Versehen“ der Mutter (das Erschrecken der Schwangeren bei einem ungewöhnlichen, hässlichen Anblick), in sexuellen Gelüste der Schwangeren zu unrechter Zeit (nach Ablauf des 2. Schwangerschaftsmonats) u.a.m.
Ma. Recht zufolge waren Fehlgestaltete und ®Behinderte - wie Zwerge, Verwachsene, Lahme, Stumme, Blinde, Taube und in sonstiger Weise missgestaltete Personen - von der Erbfolge, Lehensfolge und Landesfolge ausgeschlossen. Sie hatten oft keine andere Möglichkeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen, als sich auf Jahrmärkten zur Schau stellen zu lassen oder sich ins Heer der Bettler einzureihen. Missgebildete Kinder wurden häufig getötet. Dem Hexenhammer zufolge betrachtete man unheilbare Krankheiten und Misswuchs als Teufelswerk und merzte sie durch öffentliche Hinrichtungen aus. 1454 wurden allein in Osnabrück 160 Geistig-Behinderte als Hexen oder Zauberer hingerichtet.
(s. Wechselbalg)