Pestgutachten

Aus Mittelalter-Lexikon
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Pestgutachten. Das Pestgutachten der Pariser Universität (v. 1348) wurde in ganz Europa als kompetente wissenschaftliche Ätiologie und als Verhaltensanleitung zur Vorbeugung gegen die Seuche bekannt. Da es den Erkenntnisstand der damaligen Ärzteelite kennzeichnet, soll es auszugsweise zitiert werden: "... Demnach erklären wir: Es ist bekannt, dass in Indien, in der Gegend des großen Meeres, die Gestirne, welche die Strahlen der Sonne und die Wärme des himmlischen Feuers bekämpften, ihre Macht besonders gegen jenes Meer ausübten und mit seinen Gewässern heftig stritten. Daher entstehen oft Dämpfe, welche die Sonne verhüllen und ihr Licht in Finsternis verwandeln. Diese Dämpfe wiederholten ihr Auf- und Niedersteigen 28 Tage lang unaufhörlich, aber am Ende wirkten Sonne und Feuer so gewaltig auf das Meer, dass sie einen großen Teil desselben an sich zogen, und sich das Meeresgewässer in Dampfgestalt emporhob. ... so bleibt kein Mensch am Leben,...., wohin dieser verdorbene Wind aus Indien kommt." Im gleichen Gutachten wurde als prophylaktische Diätetik wurde u.a. empfohlen: "Getrocknete oder frische Früchte, mit Wein genossen, schaden nicht, aber ohne Wein werden sie tödlich. Rote Rüben und anderes Gemüse, eingemacht oder frisch genossen, sind schädlich. Dagegen sind gewürzhafte Kräuter, also Salbei oder Rosmarin, sehr gesund. Der Genuss kalter, feuchter, wässriger Speisen ist größtenteils nachteilig. ...."
Trotz der Unkenntnis über die infektiöse Ursache der Seuche haben sich sinnvolle Maßnahmen wie ®Quarantäne, Isolierung der Kranken, Einrichtung von Sondersiechenhäusern und schnelle Leichenbeseitigung durchgesetzt. Das Volk sah die Ursache des großen Sterbens in Gottes Zorn über die sündige Menschheit und wollte ihn durch Gebete, Bittprozessionen und Geißlerfahrten versöhnen, oder suchte sich, allen wissenschaftlichen Erklärungen entgegen, eigene Sündenböcke in Randgruppen wie Juden oder Leprösen. (Etwa zur gleichen Zeit beschrieb der arab. Mediziner Ibn al-Hatib den eindeutig infektiösen Charakter der Pest, die Verbreitung durch infizierte Personen und das Ausbleiben der Infektion bei isolierten Personengruppen.)
(s. Pesthauchtheorie)