Philosophie

Aus Mittelalter-Lexikon
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Philosophie (Begriffsinhalt d. Ph.). In der Spätantike war der Begriff "Philosophie" zu einem Allerweltswort abgesunken, mit dem z.B. auch Ingenieurstechnik, Grammatik, Geometrie, Rechtslehre oder Dichtung bezeichnet wurden. ®Cassiodorus (6. Jh.) definierte Ph. gemäß der spätantiken Aristoteles-Kommentatoren als:
1.) das dem Menschen mögliche probable Wissen von den göttlichen und menschlichen Dingen;
2.) die Kunst der Künste, die Wissenschaft der Wissenschaften;
3.) die meditatio mortis (Betrachtung des Todes, Vorbereitung auf den Tod);
4.) die Angleichung an Gott, soweit es dem Menschen möglich ist.
Die Gelehrten des europäischen Mittelalters nannten weder sich selbst noch Ihresgleichen "philosophus". Der Begriff wurde auf Denker der heidnischen Antike, des arabischen Aristotelismus und des Judentums verwandt. Christliche Gelehrte, die ihre Wissenschaft nach Art der Philosophen betrieben, nannten sich "philosophantes" (Philosophierende).
Nach Hrabanus Maurus (um 783-856) ist Philosophie "Studium der Natur und Kenntnis der menschlichen und Göttlichen Dinge, insoweit es dem Menschen gestattet ist, sie zu untersuchen. Philosophie ist ferner Aufrichtigkeit im Leben ..., Betrachtung des Todes und Verachtung der Welt.
Bis zum 12. Jh. gab es keine Unterscheidung zwischen Philosophie und Theologie, fielen vernunftbestimmtes Nachdenken über Gegenstände der artes, über Transzedentalien und über religiöse Geheimnisse in eins.
Bildungs- und wissenschaftsfeindliche Denker des 11. Jh. wie Petrus Damiani, Manegold von Lautenbach und Otloh von St. Emmeram unterschieden zwischen einer philosophia carnalis (mundana, saecularis, vana) und der eigentlichen, wahren philosophia spiritualis. Hugo von St. Victor (um 1100 - 1141) unterschied in seinem "Didascalicon" als Teile der Ph.: die theoretische Ph. (Theologie, Mathematik [und damit das Quadrivium] und Physik), die praktische Ph., die sieben mechanischen Künste und die Logik (das Trivium einbezogen).
Vom 13. Jh. an erschien ein Gegensatz zwischen Philosophie und Theologie, nachdem ein von der Philosophie abgeschiedener Theologiebegriff (im Sinne der Offenbarungstheologie) konzipiert worden war. Theologie wurde nunmehr als Wissenschaft im strengen Sinn betrachtet, welcher die Glaubensartikel als selbstevidente Prinzipien des gläubigen Theologen galten.
Deutlich getrennt erscheinen Philosophie und Theologie bei Robert Grosseteste (1175 - 1253), eine gegenseitige Vermischung hält er jedoch zum Nutzen Beider für notwendig.
Nach Albertus Magnus (um 1193 - 1280) gründet Philosophie auf menschlicher Vernunft, Theologie auf Offenbarung und Inspiration.
Thomas von Aquin (1224 - 1274), Alberts Schüler, zufolge bezieht sich die "menschliche Philosophie" auf die geschaffenen Dinge als solche, während die Theologie sie nicht als solche, sondern als als Repräsentanten göttlicher Größe und als auf Gott bezogen ansieht.
Für Bonaventura bestand das philosophische Wissen (scientia philosophica) in der Erkenntnis einer nachprüfbaren Weisheit, das theologische Wissen (scientia theologica) in der Kenntnis einer Glaubenswahrheit.
William von Ockham (um 1285 - 1347) suchte die Philosophie als strenge Wissenschaft darzustellen. Philosophisches Wissen sei die "evidente und gewisse Erkenntnis, wo Notwendiges aus notwendigen Sätzen folgt". William will philosophisches Wissen auf das beschränkt sehen, was "Wissen im strengen oder eigentlichen Sinne" genannt wird. Im Nominalismus des 14. Jh. wurde die Deutung der Philosophie auf breiter Basis diskutiert, so u.a. von Johannes Buridanus, Nikolaus von Autrecourt und Marsilius von Inghen.
An der Wende des 14. Jh. erscheint Philosophie einmal als Zusammenfassung allen Wissens gemäß dem nominalistischen Wissensideal, zum andern als eine besondere Art der Mystik, für welche die nominalistische Philosophie von propädeutischem Wert ist (so bei Johannes Gerson).
Aus dem Gesagten geht hervor, dass man nicht von einer "Philosophie des MA." sprechen kann – dazu waren die methodischen und inhaltlichen Ansätze der ma. Denkschulen zu unterschiedlich –, sondern besser von der "Philosophie im MA." Im Sprachgebrauch der Zeit verstand man unter „Philosophen“ die Denker der heidnischen Antike, des arabischen Aristotelismus´ und des Judentums; christliche Gelehrte, die nach deren Art Wissenschaft betrieben, wurden als „Philosophierende“ (philosophantes) bezeichnet.