Richtstätte

Aus Mittelalter-Lexikon
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Richtstätte. Der Vollzug von Leibes- und Lebensstrafen war im MA. grundsätzlich öffentlich. Um dem Volk die erwartete und beabsichtigte Teilnahme zu gewährleisten, musste die Richtstätte an einem Platz gelegen sein, der für das gesamte Spektakel von "letztem Gang" und Hinrichtung bis zur Zurschaustellung der Leiche eine geeignete Bühne bildete. Der Platz vor dem Rathaus war die Richtstätte für Enthauptungen. Dort stand eine erhöhte Plattform, um die Hinrichtung möglichst vielen Leuten sichtbar und vom Volksgedränge ungestört vollziehen zu können. Sofern das Podest nicht gemauert war („Rabenstein“, da Raben die Leichen der Hingerichteten umflogen und anfrassen), wurde es aus Balken und Brettern aufgeführt („Blutgerüst“). Später wurde das Enthaupten außerhalb der Mauern, fallweise unterm Galgen, vollzogen.
Der Galgen als Zeichen der Hochgerichtsbarkeit wurde weithin sichtbar auf einer Anhöhe (henkebühel), aber auch an markanten Wegepunkten, häufig an überregionalen Straßen aufgestellt. Nach Thomas Becker soll es in Deutschland bis zu 1.000 Richtplätze gegeben haben. Die hohe Zahl deutet aber nicht auf einen massenhaften Vollzug von Todsesurteilen hin, "die Richtplätze waren vor allem Zeichen der Blutgerichtsbarkeit und damit Ausdruck der macht eines Herrschers innerhalb seines Territoriums."
Die Konstruktion des Galgens war unterschiedlich. Neben dem einfachen Kniegalgen gab es Galgen mit zwei oder drei Säulen, welchletztere im Dreieck angeordnet und mit Querbalken verbunden waren (Zweibeinige, dreibeinige G.; zweischläfrige, dreischläfrige G.). Für die verschärfte Strafe des Höherhängens hatten manche Galgen noch einen dem Querbalken aufsitzenden Hochgalgen. Beim Wipp- oder Schnellgalgen war der Querarm wie ein Hebel beweglich angebracht. Dem Delinquenten wurde durch ein- oder mehrmaliges ruckartiges Hochziehen (prellen) des Hebelarms - und damit des Henkerseils - des Genick gebrochen.
Das Errichten eines Galgens, Blutgerüstes oder Prangers galt als höchst anrüchige Arbeit und so ist verständlich, dass die damit beauftragten Handwerker auf einem aufwendigen Zeremoniell zur Wahrung ihrer Ehrbarkeit bestanden (Arbeit im Kollektiv, Anwesenheit der Zunftmeister und Räte, zeremonielles Mahl, magisch-symbolische Begleithandlungen, Schlussvergütung). Da es üblich war, einen Galgen nach erfolgter Benutzung abzubrechen und einen neuen aus frischem Holz zu fertigen, wurden Ratsbeschlüsse aufgestellt, nach denen die Gesamtheit der städtischen Zimmerer und Schmiede samt ihrer Knechte zur Mitarbeit heranzuziehen waren; so konnte keiner den anderen als Henkersknecht diffamieren. Zu Handlangungen waren vielerorts auch die Müller verpflichtet, die ohnehin als ehrlos galten.
Das Ertränken wurde, wo möglich, in einem Fließgewässer besorgt, wo nicht, in einem Weiher oder Teich; auch Holzbottiche fanden Verwendung.
Das Verbrennen fand vorzugsweise auf einer dem Wind ausgesetzten Anhöhe statt, um den mit dem Rauch entweichenden Dämonen freien Abzug zu garantieren.