Rotwelsch

Aus Mittelalter-Lexikon
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Rotwelsch (mhd. rotwalsch, -welsch; wahrsch. v. gaunersprachl. rot = falsch, listig und welsch = unverständliche Sprache; auch Jenisch, Keimisch, Kochemer Loschen) wurde etwa ab 1250 im deutschen Sprachraum die Geheimsprache von Bettlern, Gaunern und Vagabunden genannt. Sie wurde nur zu mündlicher Verständigung über Dinge des alltäglichen Gebrauchs benutzt und war gekennzeichnet durch romanische, jiddische und zigeunerische Wortentlehnungen und durch Verschlüsselungen deutscher Wörter (Bedeutungsänderungen, Neubildungen). Beispiele: barlen = sprechen; Blankert = Milch, Wein; Bozhart = Fleisch; Brandling = Branntwein; Schneidhans = Schere; Blaue Martine = Bayern (zu hebr. medine = Land); Feldglocke = Galgen; Galgenschwengel = Gehenkter; Giler = Gauner; Joner = betrügerischer Kartenspieler (von hebr. jana = übervorteilen; später Jauner, Gauner); Kies, Moos = Geld; Leberte = Eier; Lem = Brot; Roter Hahn = Brandlegung; Speck und Blaukohl = Staupenschlag; Wenderich = Käse; Zinken = Geheimzeichen. Viele Fachausdrücke des Abdeckereiwesens entstammten der Rotwelsch, z.B.: der "bloße Meichel" (das Schindermesser), das "Fetzen" (Abhäuten), der "Sturz" (die Haut), der "Schmuck" (das Fett), das "Bossert" (das Aas). Einzelne Ausdrücke aus dem Rotwelsch stiegen in die Allgemeinsprache auf, z.B. Henkelmann, mies, schmusen. (s. Lehnwörter des Mhd.)
Zitat aus Hans Vintlers "Pluemen der tugent" (um 1300):

.../
so habent etliche knaben gefunden/
ein neuwe sprach bei diesen stunden/
und heyßet mans die rotwelsch/
die treibt man yetz mit mangem falsch/
...

Schon im 13. Jh. finden gaunersprachliche Ausdrücke Erwähnung und werden in Vokabularien zusammengestellt. 1443 erschien die Wiener Bettlerordnung mit einem eigenen Wörterbuch des Rotwelschen. In der einschlägigen Schrift des Zürcher Ratsherrn Gerold Edlibach von 1488 sind unter dem Titel „hie stat fokabel des rotwelsch“ 59 Ausdrücke der Gaunersprache aufgeführt. Ein weiteres ma. Wörterbuch des Rotwelschen findet sich im dritten Teil des anonymen "Liber Vagatorum/Der Betler orden", gedruckt gegen Ende des 15. Jh. in Basel. Das Werk enthält ein Glossar mit 219 rotwelschen Wörtern, beschreibt 26 verschiedene Spezialgebiete der Vagabunden, handelt von den Berufsgeheimnissen betrügerischer Bettler und Landstreicher und baut auf der Fachliteratur zum Gaunerwesen auf, wie sie im 14. Jh. in Form von rotwelsch-lateinischen Glossaren und Verzeichnissen der Gaunertypen vorlag.
Aus dem Rotwelsch sind auch Redewendungen übernommen worden wie z.B. Schon wissen oder jemandem zeigen "Wo der Barthel den Most holt" i.S.v. einen Kniff kennen oder mitteilen; hier bedeutet Barthel/Barzel das Stemmeisen als Einbruchswerkzeug und Most/Moos das Geld.