Signaturenlehre
Signaturenlehre. Schon in der "Historia naturalis" von Plinius d. Ä. (24 - 79) und in der "Materia medica" des Dioskurides (1. Jh. u.Z.) findet sich die Auffassung, dass Heilpflanzen – göttlicher Absicht zufolge – durch gestaltliche oder farbliche Hinweise (Signatura rerum) kenntlich gemacht seien. Den Signaturen sei zu entnehmen, für welche speziellen Organe oder Leiden ein Heilkraut bestimmt sei. Gemäß der augustinischen Vorstellung vom "Buch der Natur", worin die Offenbarung Gottes eingeschrieben steht, sahen ma. Denker in allen Naturdingen Hinweise (signatura rerum) auf tiefere, göttliche Zwecksetzungen. Ärzte, Astrologen und Alchemisten verstanden die Kunst, aus den Zeichen der Natur auf die rechten Heilmittel zu schließen. Dinge des Naturreichs (Steine, Pflanzen, Tiere) wurden beurteilt (signiert) nach Aussehen (Gestalt, Form), Farbe, Geruch und Geschmack und nach ihrem Bezug auf den Menschen benannt und systematisiert. So erklärte neben anderen auch Albertus Magnus, dass die Gestalt der Pflanzen ihre himmlischen Kräfte verriete. Auch den Naturdingen der Himmelssphäre (Planeten, Tierkreiszeichen) entsprachen Pflanzen, Metalle und deren spezifische Wirkungen auf Körperregionen und Organe.
Beispiele: Der Sonne zugeordnet war das rot-gelb blühende Johanniskraut, dessen heilende Wirkung zielte auf den Solarplexus, wirkte auf Herz und Kreislauf; die saftstrotzenden Spargelstangen sollten – als Absud – der männlichen Potenz aufhelfen; auch der Aronstab, der "eine rote gestalt hat wie eines mannes rut", sollte als Aphrodisiacum wirken; Hildegard von Bingen rät (in "Physica") liebestollen Männern, die weibliche Form der Alraune bei sich zu tragen und nach drei Tagen davon zu essen; entsprechend sollten von Liebesglut geplagte Frauen mit einer männlichen Alraune verfahren.
(Ihren größten Einfluss auf die Medizin sollte die Signaturenlehre erst im 16./17. Jh. erlangen. Ihr berühmtester Vertreter wurde Paracelsus.)