Spiegelnde Strafen

Aus Mittelalter-Lexikon
Zur Navigation springen Zur Suche springen

spiegelnde Strafen (auch Talion, v. lat. talio = Wiedervergeltung eines Körperschadens; Vergeltung von Gleichem mit Gleichem; neuzeitlicher Rechtsbegriff). Biblischem Vorbild ("Auge um Auge", 2. Mos. 21,23) und dem ma. Bedürfnis nach symbolhaften Handlungen entsprangen Sanktionen, welche der jeweiligen Straftat entsprachen, diese "spiegelten". Spiegelnde Strafen kamen zusammen mit den peinlichen Strafen (Leibesstrafen, s. Verstümmelungsstrafen, Züchtigung) auf und waren durch Geldbuße (compositio) ablösbar.
Beispiele: Dem Meineidigen wurden die Schwurfinger oder die Schwurhand abgeschlagen oder die Zunge ausgerissen, Mordbrenner wurden unter dem Galgen verbrannt, Münzfälscher verloren die Hand; auf Verbrechen, die mit der Zunge begangen wurden (Verleumdung, Meineid, Gotteslästerung), stand die Strafe des Zungenabschneidens etc. Auch die besonderen Umstände der Missetat sollten sich im Hinrichtungsszenario spiegeln. So sollte beispielsweise der nächtliche Holz- oder Grasdieb nicht mit dem Strick, sondern mit Weidengerten gehängt werden. Eine Frau, die in einer Wagenladung Heu versteckte Feinde in die Stadt geschmuggelt hatte, wurde auf ebendiesem Wagen verbrannt. Ehebrecher wurden oft in der "rechten" Kohabitationsstellung aufeinander gelegt und so gemeinsam gepfählt.
Zu Talionsstrafen im Schwabenspiegel: „Wer dem anderen den Mund (sc. die Zunge) abschneidet oder die Nase oder die Ohren oder die Augen aussticht, dem soll man dasselbe wieder tun. Wer den anderen lähmt, dem soll man die Hand abschlagen. Lähmt er jenen an beiden (Händen), so soll man ihm beide Hände abschlagen. Wer dem anderen Finger oder Zehen abschlägt, da gehört für jeglichen Finger und jegliche Zehe eine besondere Buße. Wer einem einen Zahn ausschlägt, dem soll man dasselbe tun.“