Starrkrampf

Aus Mittelalter-Lexikon
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Starrkrampf, Starrsucht (zu mhd. star = starr, unbeweglich und krampf, krimpfe = Krampf i.S.v. Muskelspasmus; hier: Wundstarrkrampf; lat. rigor nervorum; grch. tetanos = gespannt, gestreckt). Eine nicht ansteckende Infektionskrankheit, ausgelöst durch das neurotrope Toxin des anaeroben, sporenbildenen Bakteriums Clostridium tetani, deren auffälligste Symptome qualvolle Muskelkrämpfe und –starre sind, und die häufig tödlich endet (Atmungslähmung). Eintrittspforte für den Erreger sind perforierende Wunden, vorzugsweise solche, die stark verschmutzt sind, tief ins Gewebe reichen und daher kaum Luftzutritt haben.
Eine frühe Beschreibung des für Tetanus typischen Symptomenbildes findet sich in einer altägyptischen Schrift (Papyrus E. Smith) aus dem 2. Jahrtsd. v.u.Z. Tetanus wird hier als eine Krankheit bezeichnet, „die man nicht behandeln kann“. – Aus der röm. Spätantike stammt ein Traktat des Aretaios (1. Jh. u.Z.), in welchem sich die Feststellung findet, dass Tetanus nicht nur bei Verwundeten, sondern auch bei Wöchnerinnen (T. puerperalis) und Neugeborenen (T. neonatorum) vorkommt. Auch er bezeichnet die Krankheit als unheilbar. – Der röm Compilator Caelius Aurelianus (5. Jh. u.Z.) beschreibt die typische Facies tetanica erstmals als „Risus sardonicus“ (= grinsender Gesichtsausdruck durch Verkrampfung der mimischen Muskulatur).
Im MA. waren nur wenige Ärzte in der Lage, eine Tetanuserkrankung eindeutig zu erkennen. Vielfach wurden deren Symptome anderen Krankheiten, etwa Pest, Tollwut oder Epilepsie, zugeordnet; auch suchte man die Ursachen in psychischen, klimatischen oder astrologischen Bereichen oder in einer Besessenheit. Hildegard von Bingen sieht die Ursache von Krämpfen in einem Überschuss an „schlechten Säften“, besonders der schwarzen Galle. Der Humorallehre folgend, suchte man die Körpersäfte ins Gleichgewicht zu bringen, indem man Aderlässe, Abführmittel, Schwitzkuren und Mittel der Diätetik anwandte.
Wie in der Antike führten gelehrte Mediziner im MA. den Wundstarrkrampf auf Nervenverletzungen zurück, die durch Verwundungen oder chirurgische Eingriffe verursacht waren. Als einer der ersten trat der Luccheser Arzt Teodorico de Borgognoni (13. Jh.) für peinliche Sauberkeit bei Operationen ein, und suchte durch Wundnähte und –pflege (z.B. Alkoholverbände) eine primäre Wundheilung zu erreichen.
Hippokrates (4. Jh. v.u.Z.) und Dioskurides (1. Jh. u.Z.) hatten Wundstarrkrampf mit der Wurzel einer Art der Zaunrübe, der rotblütigen Bryonia cretica behandelt.
In dem Kräuterbuch „Macer floridus“ (um1000) werden Weiße Nieswurz (Elleborus albus) und Bertram (Pyrethrum) gegen Starrkrampf verordnet.
In der ma. Volksmedizin wurde eine Trinkkur mit Gänsefingerkraut („Krampfkraut“; wiss. Potentilla anserina) in heißer Milch gegen Starrkrampf verabreicht ("Krampfmilch").
Als Nothelfer in Fällen von Krampfleiden galten u.a. die Heiligen Andreas, Erasmus, Johannes der Täufer. Paulus und Vitus.