Totentanz

Aus Mittelalter-Lexikon
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Totentanz. Unter dem Eindruck des Massensterbens am "Schwarzen Tod" (s. Pest) entstanden um die Mitte des 14. Jh. Dichtungen in Latein, Mittelhochdeutsch und Frühneuhochdeutsch, welche das unterschiedslose Dahingerafftwerden aller Stände thematisierten. Wirksam wurde darin auch die abergläubische Vorstellung vom mitternächtlichen Tanz der Toten auf ihren Gräbern. Totentanzlieder sangen die deutschen Geißler, um Gottes Strafgericht, die Pest, abzuwenden. Ein Textbeispiel dafür:

Nun hebent uf die iuwern hende,
daz got dis große sterben wende!
Nun hebent uf die iuwern arme,
daz sich got über uns erbarme!
Jesus, durch diener namen drie,
mach du uns, Herre, vor sünden frie!
Jesus, durch diene wunden rot,
behüt uns vor dem jehen tot!

In Totentanzbilderbogen war der Text Bildern unterlegt, auf denen ein Knochenmann mit Fiedel- oder Flötenspiel die Menschen unterschiedslos in seinen makabren Tanzkreis zwingt. (Aus dem Würzburger Totentanztext ca. 1350: "Mit siner hellischen pfifen schrei bringt er iuch al an einen rey".) Höchst wirkungsvoll kontrastieren dabei Totengerippe und Tanz, Tod und Lebenslust, Verwesung und leibliche Schönheit. Alle müssen mit, ob hoch, ob nieder, ob alt ob jung: Papst, Kaiser, Kaiserin, König, Patriarch, Erzbischof, Herzog, Bischof, Graf, Abt, Ritter, Jurist, Chorherr, Arzt, Edelmann, Edelfrau, Kaufmann, Nonne, Bettler, Koch, Bauer, Kind und Mutter. Der Würzburger Totentanz ist die älteste deutsche Dichtung dieser Art und stammt von einem Dominikanerprediger, der sie als Lehr-und Bußgedicht geschrieben hat. Ein anonymer Toter redet darin den Papst an:

Her babst, merkt uf der pfifen don:
ir sult danach springen schon!
Es hilft darfür kein dispensieren,
der tot wil iu den tanz hofieren.

Spätere, aus franziskanischem Geist entstandene Totentanztexte stellen nicht Angst und Schrecken, sondern die Hoffnung auf das Erbarmen Christi in den Mittelpunkt.
Die Totentanzdichtung erfasst als zeitbedingte Form geistlicher Lehrdichtung das ganze christliche Abendland. (Chorea Machabaeorum, Danse de macabre, Danza general de la Muerte, Daunce de Machabree, El ballo della Morte.)
Als Monumentalmalerei erscheint das Totentanz-Motiv fast ausschließlich in Nebenkapellen, Kreuzgängen oder Friedhofsbauten. Häufig sind damit Hinweise auf den Sündenfall, die Kreuzigung Christi oder das Jüngste Gericht verbunden. Als berühmtestes aus der Vielzahl ma. Totentanz-Bilder sei das aus der Lübecker Marienkirche genannt, das um 1463 von Bernt Notke geschaffen wurde.