Ur (Auerochs)

Aus Mittelalter-Lexikon
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Ur (Auerochs, Bos primigenius; mhd. ur-ohse, ur-rint, ur, ure, wlt-rint). In großen Teilen Europas, Asiens und Nordafrikas verbreitetes Wildrind mit Schulterhöhen von 1,60 m (Bullen) bzw. 1,40 m (Kühe) und einer Körperlänge von ca. 3 m. Stiere waren deutlich größer und schwerer als Kühe und besaßen ein kräftigeres Gehörn. Das charakteristische, nach vorne geschwungene, lyraförmige Gehörn lädt bis zu 1,5 m aus; es ist hell und hat spitze, dunkle Enden. Das Fell ist dunkelrotbraun bis schwarz und mit einem grauweißen Aalstrich gezeichnet. (Das Aussehen lässt sich anhand von Knochenfunden, Höhlenmalereien, Beschreibungen und Abbildungen rekonstruieren.) Ure sind die Stammform des europäischen Hausrindes.
Die Tiere lebten in kleinen Herden in den lichten Wäldern und ernährten sich von Gräsern, Laub und Eicheln. Nach Konrad von Megenberg wurden sie als Lasttiere benutzt und ihre Milch als Heilmittel empfohlen, was für eine gelegentliche Zähmung der Tiere spricht. Sie wurden in Mitteleuropa durch Jagd und Habitatverlust (Rodung) dezimiert und starben im MA. aus. Der letzte Ur in Bayern wurde 1470 im Neuburger Wald erlegt. Länger konnten sie sich in Osteuropa (Masowien, Litauen) halten, wo sie erst im 17. Jh. endgültig ausgestorben sind. Das letzte Exemplar - eine Kuh - verendete 1627 in einem Wildpark südlich von Warschau.
Wegen seiner Kraft, Wehrhaftigkeit und Zeugungsstärke fand der Ur in alten Kulturen Eingang in den Götterhimmel und wurde Zentrum vieler Stier-Kulte (z.B. im Apis - oder Mithras-Kult). Ein letzter Abglanz findet sich in den Stierkämpfen Spaniens, Portugals und Südfrankreichs.
In der Heraldik treten Büffel- oder Stierhörner als Helmzier auf.
Der Stier war das erlesenste Opfer im Alten Testament und ist als Flügelwesen dem Apostel Lukas attributiv beigesellt. Er spielt in einigen christlichen Heiligenlegenden eine Rolle, so in der "Vita Sti. Lucii" und in den Legenden um die Heiligen Saturnin, Synesius und um Papst Silvester I.
(s. Jagd, Rinder)