Vierfacher Schriftsinn

Aus Mittelalter-Lexikon
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Als vierfacher Schriftsinn wird ein Prinzip der Bibelexegese, das verborgenen Sinn, verborgene Ordnung offenlegen soll, bezeichnet. Danach hat jedes Wort einen vierfachen Schriftsinn:

  1. einen vordergründigen Buchstaben- oder historischen Sinn, sensus litteralis/sensus historicus (Jerusalem beispielsweise ist ein bestimmter Ort im Heiligen Land).
  2. einen tieferen heilsgeschichtlichen Sinn, sensus allegoricus (Jerusalem wird als die Kirche Gottes betrachtet).
  3. einen moralischen Sinn, sensus moralis/sensus tropologicus (Bedeutung Jerusalems für den Weg des Einzelnen von der Sünde zum Heil).
  4. einen überirdischen, mystischen Sinn, sensus anagogicus (Jerusalem wird mit der himmlischen Gottesstadt gleichgesetzt, bedeutet die Auferstehung zum ewigen Leben).

Dieses theologische Schriftverständnis ist nicht allen Gläubigen gleichermaßen zugänglich; ungebildete Laien (simplices vel illiterati) erfassen nur die erste Stufe (Historia), Gebildeten (intelligentes) ist auch die zweite Stufe (Allegoria) zugänglich, die weiteren (Tropologia und Anagogia) den Fortgeschrittenen (provecti) und den Weisen (sapientes).