Waage
Waage (mhd. wage, ahd. waga, eigtl. = das [auf und ab] Schwingende; lat. libra). Zur Wägung von Gütern wurden im FMA. ungleicharmige Balkenwaagen benutzt, an deren einem Arm das Wiegegut hing, während am anderen ein verschiebbares Gewicht angebracht war. Diese Konstruktion ging auf röm. Zeit zurück, erlaubte schnelles Wiegen und wurde für unterschiedliche Lastbereiche benutzt. Im 13. Jh. verdrängten Schalen- oder Klappwaagen (mhd. schalwag) mit gleicharmigem Waagbalken und Schalgewichten die Schnellwaagen. Es gab Feinwaagen für Edelmetalle, Drogen oder Farbstoffe und Waagen für Handelsgüter wie Salz, Mehl, Fleisch, Wollballen oder Eisenstangen. Je nach zu wiegendem Gut waren die Waagen unterschiedlich geeicht. Gegen die Masse von Bleigewichten (geloete) in der einen Waagschale wurde die Masse des Wiegegutes in der anderen der frei am Balken hängenden Waagschalen aufgewogen. Vom 13. Jh. an goss man Gewichte aus Bronze (Glockenspeise).
Zum Schutz des Käufers vor Übervorteilung beim Wiegen wurde schon in den karolingischen Capitularien Sorge getragen: "Alle sollen die gleichen und gerechten Gewichte haben, sowohl auf dem Land, wie in den Klöstern, beim Verkauf wie beim Kauf, wie es im Gesetz Gottes vorgeschrieben ist". Ein Konzil unter Ludwig I. und seinem Sohn Lothar I. beschäftigte sich (828) mit dem verbreiteten Missstand betrügerischer Gewichte und ungleicher Waagschalen (kleinere für den Verkauf, größere für den Einkauf). Die Überwachung von Waagen und Gewichten fiel anfangs in die Kompetenz der Grafen, später in die der herrschaftlichen oder städtischen Marktkontrolle. Sma. Gewichtsordnungen besagten, dass Gewichte bis fünf Pfund aus Kupfer, Messing oder Eisen gefertigt sein müssten, schwerere Gewichte durften auch aus Blei oder Zinn bestehen.
In größeren Städten gab es eine große öffentliche Stadt- oder Fronwage, mit welcher der geschworene städtische Waagmeister (weger, wegemeister, ponderatorius), assistiert von Waaggesellen, gegen Gebühr (wage-gelt, weglon) Handelsgüter abwog. Der Technik nach war die Stadtwaage eine Balkenwaage, an deren Enden an Seilen oder Ketten Tragpaletten für die Gewichte bzw. für das Handelsgut befestigt waren. Wurde auf einer nichtöffentlichen Waage – in einer Herberge oder einem Privathaus – gewogen, so war der „gesworene wäger oder sein gesworener diner“ beizuziehen und die übliche Waagtaxe zu entrichten. Unbeaufsichtigtes Wiegen von Handelsgütern wurde streng bestraft, war doch der waglon eine bedeutende Einnahmequelle der Stadt.
In Hafenstädten war die Waage häufig mit dem ebenfalls in städt. Besitz befindlichen Kranbetrieb verbunden, und wurde langfristig an den Wäger, gegf. auch an dessen Erben verpachtet. (In Hamburg stammt der älteste diesbezügliche Vertrag aus dem Jahr 1269.)
Zur Kontrolle des Gewichts von Münzen, sowohl bei der Herstellung (zur Justierung) als auch bei umlaufenden Münzen, verwendete man eine kleine Balkenwaage (Münzwaage) von hoher Anzeigegenauigkeit. Dazu gehörte ein Satz geeichter Münzgewichte für die verschiedenen Nominale (Nennwerte).
Balkenwaagen, auch als Krämer- oder Handelswaagen bezeichnet, wurde vor allem von spezialisierten Augsburger und Nürnberger Rotgießern, den wagemachern, gefertigt.
Dem symbolischen Denken des MA. galt die Waage als Zeichen der Gerechtigkeit, des Maßes und der Klugheit. Der Erzengel Michael erscheint beim Jüngsten Gericht mit der Seelenwaage, auf welcher die Sünder als zu leicht befunden wurden; mit der Waage wird auch der Zöllner und Apostel Matthäus (Schutzheiliger der Geldwechsler) dargestellt.
Die gleicharmige Balkenwaage mit an Schnüren hängenden Waagschalen galt - ebenso wie Mörser und Pistill - als Kennzeichen des Apothekerberufs. "Nikolaus von Kues (1401-1464) ist einer der ersten Forscher, der um die Wichtigkeit des Vergleichens und Messens weiß, ohne die seiner Ansicht nach kein Wissen möglich ist." Zur Einordnung von Wurzeln, Blättern, Stengeln und Säften der Heilpflanzen sei außer deren Geschmack auch ihr jeweiliges Gewicht von entscheidender Bedeutung. (Zit. nach. H. Haas)
(s. Gewichte, Warenschau)