William von Ockham

Aus Mittelalter-Lexikon
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William (Wilhelm) von Ockham (Guilelmus O.; „doctor plusquam subtilis“, „doctor invincibilis“ genannt, wegen seiner unübertrefflichen dialektischen Gewandtheit; auch „venerabilis inceptor“ = ehrwürdiger Anfänger, weil er seine wissenschaftliche Laufbahn nicht mit dem Magisterium hatte abschließen können; um 1285 - 1349). Er stammte aus dem kleinen Dorf Ockham (auch Occam) südwestlich von London, trat um 1300 dem Franziskanerkonvent in London bei und wurde 1306 zum Subdiakon geweiht. Seine philosophische und theologische Ausbildung erhielt er an einer Schule seines Ordens und von 1312 bis 1317 an der theologischen Fakultät der Universität zu Oxford, wo er zwischen 1317 und 1319 auch seine ersten Vorlesungen hielt und 1320 das Bakkalariat erlangte. Die Verleihung des Titels eines Magisters der Theologie wurde durch den Kanzler der Universität Oxford, John Lutterell, hintertrieben, der 1323 eine Zusammenstellung von 56 ihm verdächtig erscheinenden Lehrsätzen Williams an die päpstl. Kurie in Avignon übersandt hatte. Die Zeit von 1321 bis 1324 verbrachte William als Artes-Student am Londoner Studium generale seines Ordens. Zwischen 1324 und 1328 war William unter Häresieverdacht an den Hof von Papst Johannes XXII. in Avignon geladen, der die Gefahr der Ockhamschen Denkweise für die Kirche erkannt hatte. Einen ungünstigen Ausgang voraussehend, floh er 1328 zusammen mit dem Generalmagister der Franziskaner, Michael von Cesena, nach Pisa zu Kaiser Ludwig IV. und wurde daraufhin exkommuniziert. 1330 ging er mit Kaiser Ludwig nach München, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. Von hier aus bekämpfte er das Papsttum von Avignon mit polemischen Schriften. Die Reformierung der Kirche und die Neugestaltung der Beziehungen zwischen Kaiser und Papst waren seine wichtigsten Anliegen. Zusammen mit Marsilius von Padua, der sich ebenfalls an den Hof Kaiser Ludwigs geflüchtet hatte, verfocht er die Unabhängigkeit des Staates von der Kirche sowie den weltlichen Machtanspruch des Herrschers, der keiner anderen irdischen Macht Rechenschaft schuldig sei („Dialogus de potestate imperiali et papali“, um 1340).
In seiner Erkenntnislehre beschäftigt sich William mit den Möglichkeiten und Bedingungen wahrheitsgemäßer Erkenntnis. Neben der an Empirie und Logik gebundenen Erkenntnis anerkennt er den Wert von religiösem Glauben und Theologie, wenngleich er die vernunftgemäßen Erkenntnismöglichkeiten bei letzteren aufgrund mangelnder Evidenz stark eingeschränkt sieht. Er trennte Glauben und Wissen, nahm also eigenständige philosophische und theologische Wahrheiten an.
Das berühmte "Ockhamsche Rasiermesser" ist ein Erkenntnisprinzip, das William folgendermaßen erklärt: "Eine Vielheit ist nur anzunehmen, wenn es notwendig ist"; "Es ist ohne Zweck, was durch vieles zustande kommt, aber durch weniger zustande kommen kann". So wird Erkenntnis durch ein Minimum an Erklärungsgründen angestrebt (principia non sunt multiplicanda praeter necessitatem). Anders ausgedrückt: Wenn es mehrere Theorien zu einer Sache gibt, dann ist die einfachste Theorie auch die wahrscheinlich richtige."
Als Nominalist verneint er einen personalen Status von Kirche oder kirchlichen Gemeinschaften. Diese seien vielmehr Zusammenschlüsse vieler Einzelpersonen gleichen Glaubens. William betont den Primat der Person gegenüber institutionalisierten Gemeinschaften. Gottesbeweise sind nach William nicht zu führen, da der Begriff "Gott" selbst rational abgeleitet und daher nicht essentiell ist.
Zu seinen Werken zählen Aristoteles-Kommentare, der Sentenzkommentar, die "Expositio super Libros Physicorum" (über Kategorienlehre und Logik), die "Quaestiones super Libros Physicorum" (didaktische Fragensammlung zur Physik) und die "Summa logicae" (ein Logikhandbuch für Studenten in drei Teilen: "De terminis" (Sprachanalyse), "De propositionibus" (Zusammenstellungen von Termen zur Wahrheitsfindung) und "De argumentis" (Lehre von den Argumenten). In seinen Spätwerken "Breviloquium de principatu tyrannico" und "De imperatorum et pontificium potestate" kritisierte er die Verhältnisse zwischen Staat und Kirche, besonders den theokratischen Machtanspruch des Papstes.
(s. Ockhamismus)