Beizjagd
Beizjagd (mhd. beize, beizunge, vederspil; v. mhd., ahd. beizen = beißen machen, beißen lassen. Als jagdlicher Ausdruck zunächst auf die Hetzjagd mit Hunden, später auf die Jagd mit Greifvögeln verwandt). Die Jagd mit "abgetragenen" (gezähmten und dressierten) Greifvögeln wie Falken (besonders Ger-, Wander-, Sakerfalken und Merlin), Habichten (bei welchen die stärkeren weiblichen Tiere bevorzugt wurden) , Sperbern und – seltener – Steinadlern auf Haar- und Federwild war im Abendland schon im 6. Jh. bekannt, wie eine Erwähnung des Jagdfalken im ältesten Teil der Alamannischen Volksrechte belegt; sie kam zur Stauferzeit unter arab. Einfluss als "ars venandi cum avibus" zu höchster Blüte (s. Friedrich II.). Der Uhu diente vermutlich als Lockvogel.
Das Abrichten eines ausgehorsteten Beizvogels (Nestling) bestand zunächst in der Atzung auf der mit einem derber Lederhandschuh bewehrten linken Faust, später in der Gewöhnung an das Getragen-und Verkapptwerden, danach in der Einstellung auf Jagdwild (mit dem Federspiel oder mit Balg-Attrappen von Hasen- oder Kaninchen), wobei der Vogel anfangs an einen Faden gefesselt, später frei jagen durfte und anschließend – durch Zuruf angelockt – auf die Faust zurückkehrte. (Die Langfessel war mittels der „Drahle“ [v. draehen, dran = drehen; drehbar verbundene Metallringe] mit dem „Geschüh“ [geschuohe; lederne Beinfesseln] verbunden. Am Geschüh waren Glöckchen befestigt, die das Wiederauffinden des Vogels erleichterten.) Der abgerichtete Beizvogel wurde zur Jagd von der Kappe und der Langfessel befreit, und von dem meist berittenen Jäger auf das Wild angeworfen ("Faustvogel"), oder er folgte als "Anwarter", hoch in der Luft kreisend, Jäger und Hund (beizhunt), bis Beutewild hochgemacht war, das er nach rasantem Sturzflug schlug.
Habichte wurden zur "Jagd mit dem niederen Flug" auf niedrig über den Boden streichendes Flugwild und auf Hasen angeworfen. Beizfalken wurden benutzt zur Jagd auf Reiher und Kraniche, Birk- und Auerwild, auf Fasane, Rebhühner, Wachteln, Wildenten, Wildgänse, Trappen, Schnepfen, Bekassinen und Tauben. Der Beizadler wurde zur Jagd auf Feldhasen, Kaninchen, Füchse und Rehwild abgetragen. (s. Falknerei)
Herbst und Winter galten als hohe Zeit der Beizjagd, einzig auf Reiher wurde im Juni gejagt, wenn die Jungtiere flügge waren.
Anhand von archäozoologischen Knochenfunden in ma. Burgen war der Habicht der häufigste der Beizvögel, gefolgt von Sperber und Falke. Unter den Habichten sind die stärkeren weiblichen Tiere doppelt so häufig zu finden wie die männlichen ("Habichtterzel").
In den "Lex Baiuvariorum" sind die Beizvögel je nach Verwendungsart unterschiedlich bewertet; so war etwa der Sperber dem Habichtsmännchen gleichwertig. Auch die "Lex Salica" und andere Volksrechte widmen dem Wert von Beizvögeln breiten Raum. - Wohl der begehrteste der Beizvögel war der isländische Gerfalke, dessen Wert dem eines Streithengstes gleichkam.
Es bestand ein reger Handel mit Beizvögeln. Gutjagende Falken gehörten zu den wertvollsten Geschenken, die hohe Herren im Abend- wie im Morgenlande einander machten. Als wertvollster aller Beizvögel wurde der starke nordische Gerfalke mit möglichst hellem Gefieder betrachtet. Bei Damen war der Merlin wegen seiner zierlichen Gestalt und seiner hübschen Färbung besonders beliebt. Szenen Berittener mit Beizvögeln waren häufiger Gegenstand ma. Kunst, so in Miniaturen der Manessischen Liederhandschrift oder auf dem Teppich von Bayeux. Beizvögel waren Gegenstand der ma. Jagdliteratur und der Lyrik (Minneallegorie).