Brot
Brot (mhd brot, ahd. prot, eigtl. = Gegorenes). Das Fladenbrot der Germanen wurde ursprünglich aus einem Teig aus Mehl und Wasser hergestellt, dem noch Salz zugesetzt wurde. Erst um die Mitte des ersten Jahrtausends übernahmen die Germanen von den Römern die Kunst, lockeres Brot durch Zusatz von Sauerteig zu backen (panis fermentatus). Im MA. kamen dann neben der traditionellen häuslichen Selbstversorgung auch Kloster- und Hofpfistereien, später auch gewerbliche Bäckereien auf. Vom 12./13. Jh. an wurde Brot zum Hauptnahrungsmittel, als welches es Brei und Mus ablöste. Da es meist altbacken zum Verzehr kam, brockte man es in Soßen, Brühe oder Wein. Das seit seit vorgeschichtlicher Zeit bekannte harte Fladenbrot diente bis ins SMA. als Zubrot zu Mus oder Fleisch, zum Eindicken von Soßen sowie als Ersatz für Teller und Löffel.
Hafer- und Gerstenbrot waren die geringsten Sorten und bestimmt für arme Leute oder als Fastenspeise. Wesentlich höher geschätzt war Roggenbrot (panis opus, swarz brot). Dinkel- und Weizenbrot (lat. panis albus, mhd. edelbrot, das wisse brot, schoenez brot) galten als Herrenbrot und wurden in kleineren Formen gebacken als die anderen Brotsorten (s. Gebäck). In Notzeiten wurden dem Mehl Eberwurz, Eicheln, Bucheckern oder Baumrinde zugesetzt ("Notbrot"), wurden auch pulverisierte Erbsen, Linsen, Bohnen, Kastanien und Kleie zu Brot verbacken. In manchen Gegenden streckte man das kostbare Mehl mit Rüben, Meerrettich, Rettich und Zwiebeln ("Wurzelbrot") oder mit gedörrten Birnen und Äpfeln ("Birnbrot").
Der Sauerteig (mhd. sur-, suwerteic, urhap) als Gär- bzw. Teiglockerungsmittel wurde aus Mehl und Wasser angesetzt und warm gestellt. Aus der Umluft eingewanderte Hefezellen setzen die alkoholische Gärung in Gang, bei welcher Kohlendioxid frei wird, welches den Teig blasig „aufgehen“ lässt. Ebenfalls luftgetragene säurebbildende Bakterien sorgen für das Sauerwerden (milchsaure Gärung), das dem Angehen von Schimmelpilzen entgegenwirkt und sich durch essigartigen Geruch bemerkbar macht. Beim Backen behielt man jeweils einen Rest des Sauerteigs – durch Vermengen mit weiterem Mehl „trockengelegt“ – zurück, um mit ihm am nächsten Backtag den neuen Teig zu „impfen“. Beim kraftaufwändigen Rühren, Kneten und Schlagen werden die im Sauerteig enthaltenen gärtüchtigen Hefepilze und Milchsäurebakterien gleichmäßig mit dem neuen Brotteig vermischt.
Aus dem Teig wurden Laibe im Gewichtsverhältnis 1 : 2 : 4 geformt, wobei das Gewicht von der jeweils gültigen Brottaxe abhing: bei niedrigem Getreidepreis wurden zum gleichen Verkaufspreis schwerere Laibe verkauft, bei hohem Getreidepreis leichtere. Die Brottaxe wurde vom städtischen Rat aufgestellt und je nach Marktlage aktualisiert; für ihre Einhaltung sorgten Kontrolleure bei der amtliche Brotschau. Damit Backwaren einem bestimmten Bäcker zugeordnet werden konnten, mussten sie mit einem Symbol oder mit Initialen gekennzeichnet sein. Nichteinhalten des vorgeschriebenen Brotgewichts und Mehlverfälschungen (durch Zusatz etwa von Kleie, Kreide, Knochenmehl oder Sand) wurden je nach Schwere des Delikts oder Rückfälligkeit mit Geldbuße, Schupfen ("Bäckertaufe"), Verstümmelung oder Ausweisung aus der Stadt bestraft.
Das Gewicht eines bestimmten Getreidevolumens ist – je nach Korngröße – von Getreideart zu Getreideart verschieden. Zudem war das Verhältnis von Getreide- zu Brotgewicht von der Feuchtigkeit und dem Ausmahlungsgrad abhängig. Der Brotertrag aus einer ad 100 % gesetzten Getreidemenge betrug bei Roggen durchschnittlich 80 %, bei Weizen um 40 %. (Nach der Augsburger Brotpreistaxe von 1442 wurde der Brotertrag für reines Weizenbrot mit 43,5% angenommen.)
Schon im FMA. war der aus Feldsteinen und Lehm gemauerte Backofen (mhd. bachoven, oven: lat. furnus) bekannt, fand sich aber wegen der kostenträchtigen Bauweise zunächst nur in Kloster- und Fronhofsbackstuben. Aus dieser Zeit stammte auch die Einordnung des Backens als Banngewerbe: die Einrichtung eines Backofens war an die Konzessionierung durch den Grund- oder Stadtherrn gebunden (furnus bannalis), sollte doch die Konkurrenz niedergehalten und die Rentabilität der Backstelle gesichert werden. Im HMA. wurde das Backen in Städten von handwerklichen Spezialisten, den Bäckern (den gemeinen ofnern, pfistern, pecken) besorgt. In vielen Gegenden wurde den Bauern im SMA. ausdrücklich gestattet, auf der Hofstelle auch ein Backhaus zu errichten. Backofen waren nun überwiegend aus Ziegelsteinen aufgemauert. (So in der Wetterau, 1385.)
Der Backofen wurde durch Innenfeuerung erhitzt. Gefeuert wurde mit Reisig und Holz. Das Gewölbe (der „Himmel“) färbte sich durch den Ruß erst schwarz, später, wenn der Ruß verbrannt war, schlohweiß; daran erkannte der Bäcker, dass der Ofen bereit ist. Vor dem Einschießen der Brote wurden Glut und Asche ausgeräumt und der Ofenboden (die „Backsohle“) mit dem nassen Foitelwisch (mhd. hader, huder, hudel) gekühlt, damit die Unterseite der Laibe nicht verbrannte. Beim Einschießen setzte man die Laibe auf einigen Abstand, damit sie beim Aufgehen nicht aneinander buken. Da im Ofen unterschiedliche Hitzeverhältnisse herrschten, musste das Backgut während des Backens umgeschossen werden. Durch die Ober- und Unterhitze erhielt das Brot eine abgeschlossene Oberfläche (Bodenkruste und Rinde), wodurch die Feuchtigkeit im Brotinneren weitgehend erhalten blieb. Ein Zwölf-Pfünder benötigte bis zu vier Stunden Backzeit. Die Oberseite der fertig gebackenen Brotlaibe wurde mit Wasser abgebürstet, damit sie einen satten Glanz bekam. Nach dem Ausschießen des Brotes hatte der Ofen noch genügend Hitze, um Kleingebäck zu backen oder Obst zu trocknen.
Zum Ein-, Um- und Ausschießen der Laibe benutzte man die langstielige hölzerne Backschaufel (Backschießer, Brotschieber, Ofenschüssel).
Da Brot, zumindest im bäuerlichen Bereich, nur in größeren Abständen – von etwa 6 Wochen – auf Vorrat gebacken wurde, und aufgrund der flachen Form der Laibe, kam es häufig erst ausgetrocknet und hart zum Verzehr. Um es leichter in mundgerechte Brocken zerkleinern zu können, die dann in Mus, Suppe, Milch oder Wasser eingeweicht wurden, bediente man sich einer „Holzgrammel“. Diese bestand aus einem an drei Seiten von senkrechten Brettern eingefassten Arbeitsfläche, an der ein robustes Messer am griffabgewandten Ende so angelenkt war, dass eine starke Hebelkraft ausgeübt werden konnte. Die Brotfladen wurden also nicht geschnitten, sondern in Stücke gesprengt. Die Seitenbretter, oftmals zusätzlich ein Deckel, hielten die abgesprengten Brotbrocken und -Brösel zusammen.
Um die flachen Brotlaibe luftig-trocken und sicher vor Mäusefraß aufzubewahren, kannte man sog. Brothenken. Diese waren an der Decke aufgehängt hatten entweder die Form eines Regals, in dem die Laibe senkrecht nebeneinander in je einem Fach standen, oder sie bestanden aus einem Mittelpfahl, aus dem seitlich paarweise dünne Stäbe herausragen; hier lagerten die Laibe waagrecht auf je zweien der Stäbe.
Die Angaben zum täglichen Brotverbrauch schwanken zwischen 677 gr (Armenspeisung, Nürnberg, 1388) und 894 gr (Deputat einer Magd, Kestenburg, 1477) pro Person. Allgemein gilt, dass der Brotverbrauch in privilegierten Haushalten des SMA. wesentlich geringer war, als in Haushalten der Unterschicht.
Brot galt als heilig („Dies ist mein Leib“, Christus – das Brot des Lebens) und es war allgemeiner Brauch, den Laib vor dem Anschneiden zu bekreuzen. Auch im ma. Aberglauben spielte der Brotlaib – oder auch nur Krumen davon – eine große Rolle, etwa als Beschwichtigungsopfer für Dämonen (z.B. Wassergeister, Wind- oder Wetterdämonen), bei zauberischem Missbrauch geweihten Brotes oder – zusammen mit Salz – als apotropäische Geschenk. Alle Tätigkeiten und Gegenstände, die mit dem lebenswichtigen Geschäft des Backens verbunden sind - vom Kneten und Aufgehen des Teiges bis zum Anschüren des Feuers im Backofen oder zum Verwahren des Backtrogs - sind von Bedeutungen magischer oder mantischer Art umgeben. Bischof Burchard von Worms (10/11. Jh.) warnt eindringlich davor, aus dem Aufgehen des Brotlaibs in der Neujahrsnacht die Zukunft zu deuten.
(s. Bäcker, Brotbäder [s. Badhaus], Brotseuche, Gebäck, Getreide, hauswirtschaftliches Gerät, Hefe, Konsumentenschutz, Mehl, Vorratshaltung, Zahnkrankheiten)