Byzantinische Kultur

Aus Mittelalter-Lexikon
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byzantinische Kultur (etwa 300 - 1450). Anders als die frühen Christen, denen alles Wissen außer dem in den Hl. Schriften niedergelegten verächtlich war, hielten die Byzantiner die Pflege der klassischen Bildung für unerlässlich, Bildung schlechthin für eine der Haupttugenden. So gab es keinen Bruch mit den Traditionen der heidnischen grch.-röm. Kunst und Wissenschaft, die lediglich christlich überformt wurden.
Die lateinische und griechische Sprache wurden bis zum 7. Jh. gleichermaßen gepflegt, danach starb das Latein aus. Griechisch wurde bei Hof und von den kultivierten Oberschichten in seiner reinen, attischen Form gesprochen, während sich im Volk eine lebendige hellenistische Umgangssprache entwickelte. Als glanzvollste Zeugnisse byzant. Literatur werden die kirchl. Hymnen angesehen, in denen sich lyrische Schönheit und dramat. Intensität verbinden. Die Prosaliteratur war beherrscht von gelehrten kirchl. Apologien und Polemiken (Verteidigung der Orthodoxie, Bilderstreit) sowie von der Geschichtsschreibung (Eusebius, Prokopius, Theophanes, Anna Komnena [s. Kreuzzugs-Chroniken]) und der Hagiographie (Sammlungen von Heiligenviten).
Von weltl. byzant. Musik ist – im Gegensatz zu geistl. Musik – nichts überliefert. Kirchenmusik war ausschließlich einstimmiger Chorgesang ohne Instrumentalbegleitung; sie basierte auf einem System von acht Kirchentönen und wurde vom 12. Jh. an in einer Intervalle und Rhytmen darstellenden Notenschrift niedergelegt.
Das gesetzgeberische Werk gipfelt im ®Corpus Iuris Civilis, den Kaiser Justinian I. um 530 aus röm. Rechtsgrundsätzen zusammenstellen ließ.
Philosophie und Naturwissenschaften lebten von Aufarbeitung und Kommentierung der Werke klass. grch. und röm. Autoren. Die byzantinische Medizin stand in der Tradition der Alexandrinischen Schule, kam jedoch zu eigenständigen Erkenntnissen, befruchtete die Heilkunde der Araber und gelangte über diese auch in den lateinischen Westen. Von besonderer Bedeutung bis in die Neuzeit waren die Werke des Alexander von Tralles (525 - 605, Pathologe), des Paulus von Ägina (ca. 620 - 680, Wundarzt, Geburtshelfer), Michael Psellos (1018 - 78; Universalist, schrieb Abhandlungen über Nahrungsmittellehre, über Empfängnis und über die Kräfte der Edelsteine und eine Synopsis der gesamten Heilkunst), Simeon Seth (11. Jh.; sein bekanntestes Werk war die „Alphabetische Sammlung über den Wert der Nahrungsmittel“), Nikolaus Myrepsos (2. Hälfte 13. Jh.; schrieb ein Arzneimittelbuch mit 2056 Rezepten zusammengesetzter Medikamente) und Johannes Aktuarios (1. Hälfte 14. Jh.; Schriften über Uroskopie, Aderlass, Diätetik. Bekanntestes Werk: „Methodus medendi“, ein Abriss seines gesamten medizinischen Wissens).
Die Baukunst wurde von der Sakralarchitektur bestimmt, wenn auch profane Bauten (Stadtmauern, Zisternen, Aquädukte) vom hohen Stand der Ingenieurskunst zeugen. Den Kirchenbau beherrschten seit dem 4./5. Jh. Kreuzkuppelkirchen, überkuppelte Zentralbauten über dem Grundriss eines eingeschriebenen grch. Kreuzes, bei denen die vier Kreuzarme mit Tonnengewölben überspannt und mit Kalottenwölbungen abgeschlossen waren. Nebenräume in den Ecken der Kreuzarme gaben dem Baukörper quadratischen oder rechteckigen Grundriss. Im Laufe der Zeit wurden die Grundrisse komplizierter, der Baudekor (Schmuckleisten, Blendbögen, Ziegelmuster etc.) üppiger.
Die bildende Kunst wirkte vorbildhaft über die Grenzen des Reiches hinaus durch illuminierte Handschriften, Ikonenmalerei, Elfenbein- und Metallarbeiten, Mosaiken und Wandmalereien. Die Stilentwicklung lässt sich – vereinfacht – folgendermaßen darstellen: Neben die naturalistische frühchristl. Katakombenkunst (Fresken, Sarkophagreliefs) trat im 4. Jh. nach dem Vorbild der röm. Malerei und kaiserl. Portraits eine unpersönliche, symbolisch-formelhafte Darstellung. Im 6. Jh., zur Zeit Justinians I., verschmolzen beide Stile, die schönsten Kunstwerke jedoch sind entweder rein klassizistisch oder vollkommen stilisiert. (Beispiele: Mosaiken des frühen 6. Jh. in San Apollinare Nuovo in Ravenna bzw. Fresken des frühen 8. Jh. in Santa Maria Antiqua in Rom). Nach der Zeit des Ikonoklasmus' (8./9. Jh.) verlieh vor allem die Ikone der byzantin. Kunst ihren unverwechselbaren Stil: Vernachlässigung von Eigentümlichkeiten der äußeren Gestalt, von menschlicher Regungen in den Gesichtern und von Plastizität der Gestalt zugunsten von "hieratischem" (= heiligmäßigem) Ausdruck und statischer, zweidimensionaler, quasi schwereloser Darstellung. Hauptfiguren wurden größer gezeigt als Nebenfiguren (Bedeutungsperspektive), die Szenen stehen statt vor einem naturalistischen Hintergrund vor einem festlichen Goldgrund. Dazu kommt ein festes System der Plazierung bestimmter Figuren im Kirchenraum: Christus wird stets in der Kuppel als dem himmelsnächsten Punkt dargestellt, unter ihm sind, gemäß ihrem hierarchischen Stand, Apostel, Propheten und Heilige abgebildet.