Fasten

Aus Mittelalter-Lexikon
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Fasten (mhd. vasten, ahd. fasten; von got. [ga]fastan = halten, beobachten; lat. ieiunia). Die teilweise oder völlige Nahrungs-Enthaltung an dafür bestimmten Tagen. Dieser kultische Brauch wurzelt im antiken Heidentum, wo er apotropäischen (dämonenabwehrenden) Charakter hatte und als Voraussetzung für mantische und magische Praktiken galt. Das christl. Fasten ging vom Gedanken der asketischen Selbstzüchtigung (als Voraussetzung für kontemplative Versenkung und im Gedenken der Leiden Jesu) aus und von der Absicht, vor dem Genuss des Hl. Abendmahls nichts Profanes zu sich zu nehmen. Meist war eine einmalige Sättigung je Tag erlaubt oder man hatte sich bestimmter Speisen (Fleisch warmblütiger Tiere, tierischer Fette, Eier [als flüssigem Fleisch], Milchprodukte) zu enthalten (Abstinenz). Erlaubt waren Getreideprodukte, Obst, Gemüse und Fisch und Schnecken. Kranke, Schwangere, Ammen, Kleinkinder und alte Menschen waren vom Fastengebot befreit. – Bei rigorosem Straffasten (poenitentia) waren auf bestimmte Dauer nur Wasser und Brot erlaubt, bei milderem Urteil konnte die Abstinenz auf Wein und Fleisch beschränkt sein. – Vom Fettentzug waren besonders die arbeitenden, energiereicher Kost bedürftigen Schichten betroffen. Nördlich der Alpen, wo man nicht auf Olivenöl als Ersatz ausweichen konnte, suchte man Öl aus Mohn, Lein, Nüssen und Rübsamen zu gewinnen. Bauern und der übrige Teil der ärmeren Bevölkerung, soweit sie nicht in Küstennähe lebte, konnten der hohen Preise wegen Fleisch nicht durch Fisch ersetzen. Angehörige der Oberschichten – seien es geistliche oder weltliche Herren – bekamen anstelle der verbotenen Speisen raffinierte Surrogate serviert, etwa Mandelmus, Feinbrot, gesottene und gebratene Edelfische, in Wein gekochte Krebse, in Wein eingelegte Feigen, gekochten Reis mit Mandelmilch u.ä. Die Ausnahme von Fischen aus der Fastenregel wurde gerne auf "Wassertiere" schlechthin ausgedehnt und betraf somit auch den Biber (wegen seines platten, schuppigen Schwanzes und seiner aquatischen Lebensweise den Fischen zugerechnet), sowie Sumpfschildkröten, Wasserhühner, Gänse, Enten oder Schwäne. Einer subtilen Überlegung des Hrabanus Maurus zufolge unterliegen Vögel generell nicht der Fastenordnung, da sie von Gott am gleichen Tag wie die Fische geschaffen wurden und damit der gleichen Gattung zuzuordnen sind.
Im MA. wurden häufig Bittgesuche um Milderung oder Aufhebung der Fastenvorschriften für Einzelpersonen, Körperschaften (Klöster, Stifte) oder ganze Gemeinden gestellt. Die Entscheidung darüber lag anfänglich bei den Bischöfen, später beim Papst. Der dafür im Regelfall zu entrichtende Geldbetrag hieß "Butterpfennig". ("... eszen sie 40 tag kein fleisch, auch nit milch, kesz, ayr, schmalz, dann vom remischen stuel erkaufft.")
Als wichtige Fastentermine galten die ®Quadragesima (von Aschermittwoch bis Ostersamstag), der ®Quatember (jeweils zu Beginn einer der vier Jahreszeiten des Kirchenjahres: am ersten Mittwoch, Freitag und Samstag nach Aschermittwoch, Pfingsten, Fest der Kreuzerhöhung [14.9.] und Fest der hl. Lucia [13.12.]), die drei Bitttage vor Christi Himmelfahrt, das Vigilfasten (bes. an den Vortagen von Apostelfesten) und das Adventsfasten. Zusammen mit den allwöchentlich als Fasttage begangenen Freitagen und Samstagen kam man auf ungefähr 150 fleischlose Tage im Jahr.
Das Fasten zur Karzeit (Quadragesima) war möglicherweise auch dadurch motiviert, dass am Ende des Winters bei großen Teilen der Bevölkerung die Vorräte weitgehend aufgezehrt waren und man mit dem wenigen Übriggebliebenen sparsam umgehen musste. Jedoch wurde das Fasten auch von Leuten eingehalten, die keinen Mangel litten.
Auch die Zeit der Nachtruhe galt in Klöstern als Zeit des Fastens. Das morgendliche Fastenbrechen (disjejunium) fiel mit der Zeit der Prim zusammen und wurde üblicherweise mit einem Stück Käse und einem Glas Wein begangen. (Auf diesen Brauch gehen das frz. dejeuner und das engl. breakfast zurück.)
Neuere Untersuchungen haben erwiesen, dass Fastenkuren kombiniert mit Ruhe- und Bewegungsphasen heilsame Wirkungen auf Körper und Seele haben. Durch Nahrungsmittelknappheit werden der Stoffwechsel auf Sparflamme gestellt und der Blutdruck gesenkt, Gewicht abgebaut und die Selbstreinigungskräfte des Körpers aktiviert, wird die Gemütsstimmung aufgeheitert und letztendlich sogar das Leben verlängert. Diese Art von Kurfasten dürfte allerdings weit entfernt von der lebenslangen Hunger- und Mangelernährung eines Großteils der ma. Gesellschaft sein.
Im Jahr 1491 wurde das Fastengebot dahingehend gelockert, dass der Genuss von Eiern, Milch und Milchprodukten (Käse, Butter, Butterschmalz) als vom Abstinenzgebot ausgenommenals galten.
(s. Laktizinien, Klosterleben)