Gerichtsmedizin

Aus Mittelalter-Lexikon
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Gerichtsmedizin. Zu den Obliegenheiten von Barbieren und Wundärzten gehörte ihre Mithilfe bei Leichenuntersuchungen in unklaren Todesfällen oder in Fällen von Mordverdacht. Im Auftrag des städtischen Rats und gegen Bezahlung begutachteten und klassifizierten sie Wunden oder andere Male von Gewalteinwirkung (s. Verwundung), führten auch regelrechte Sektionen durch. (Als erste nachgewiesene gerichtsärztliche Sektion in Europa gilt die 1302 in Bologna unter der Leitung des Arztes Bartolomeo de Varignana wegen Vergiftungsverdachts durchgeführte. In einer Stadtrechnung aus Hamburg vom Jahr 1350 ist ein Eintrag enthalten, der einer Zahlung an einen Barbier für geleistete forensische Obduktion gilt.) Es darf angenommen werden, dass die "geschworenen Wundärzte" (chirurgi iurati) bei Leicheneröffnungen wertvolle anatomische Kenntnisse gewonnen haben, dass sie den studierten medici von daher an anatomischem Wissen überlegen waren. Jedenfalls stellt ihre Untersuchungspraxis den Beginn der Gerichtsmedizin und eine Bereicherung anatomischer Kenntnisse dar. Ärztliche Gutachten konnten auch bei Fragen der Virginität, der Schwangerschaft, der Zeugungsfähigkeit oder im Zusammenhang mit Sexualverbrechen als Sachverständigenbeweis von ausschlaggebender Bedeutung sein.