Gerste

Aus Mittelalter-Lexikon
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Gerste (mhd. gerste, gerst; ahd. gersta, zu german. ger = Spieß, wegen der spitzen, langen Grannen; botan. Hordeum vulgare). Wohl das älteste europäische Kulturgetreide (systematischer Anbau seit etwa 5000 v.u.Z.), mit 1/2 bis 1 m hohem Halm, sechs- oder zweizeiliger Ähre, kantigen Körnern und langen Grannen. Die Ähre ist in reifem Zustand geneigt bis hängend. Wegen seiner kurzen Reifezeit von großer Anpassungsfähigkeit an klimatische Gegebenheiten. Wurde als Wintergerste (vier- oder sechszeilig) und Sommergerste (meist zweizeilig) angebaut. Hauptanbaugebiete lagen in kühleren Gegenden, so im Nordsee-Küstengebiet, in den Elbmarschen, in Schleswig Holstein und auf der Schwäbischen Alb. Gerste stellte zusammen mit ®Roggen und ®Hafer den Großteil der Getreideproduktion, fand Verwendung für Brot, Brei und Bier sowie als Viehfutter. Wurde als Brotgetreide zunehmend von Roggen verdrängt, blieb aber als Braugerste und Futtergetreide weiter von großer Bedeutung.
Nach antikem Vorbild hat die Gerste auch in die Klostermedizin Eingang gefunden. Odo Magdunensis führt in seinem Kräuterbuch ein Rezept für ein Pflaster gegen Fußgicht an, das aus Gerstenmehl und Kohl sowie Zusätzen von Raute, Koriander und Salz besteht. An anderer Stelle schreibt er: "Und stampfst du die Nieswurz und verquickst sie mit Gerstenmehl, so trocknest du eine geschwollene Wassersucht aus, indem du das Gemisch auflegst."
Hildegard v. Bingen schreibt: "Die Gerste ist kalt, ihr Genuss ist Gesunden und Kranken nicht bekömmlich ... Wer so schwach ist, dass er kein Brot mehr vertragen kann, der soll sich einen Trank aus gleichen Teilen Hafer und Gerste mit etwas Fenchel bereiten und diesen statt des Brotes genießen. ... Eine harte und raue Gesichtshaut wird durch Waschen mit Gerstenwasser lind, weich und schön von Farbe."
Gerstenkörner waren sowohl im ma. Aberglauben wie in der Volksmedizin von Bedeutung. Burchard von Worms (10./11. Jh.) beschreibt ein Orakel, bei welchem Gerstenkörner auf die heiße Herdstelle gestreut werden; springen sie empor, so droht Gefahr, bleiben sie liegen, kann man unbesorgt sein. - Um das Gerstenkorn - lat. Hordeolum, eine entzündliche Schwellung am Augenlid - zu vertreiben, kannte man eine schon in der Antike bekannte magische Behandlung, bei der neun Gerstenkörner eine Rolle spielen. - Auch für die Behandlung von Warzen und anderen Hautkrankheiten bediente man sich der Gerstenkörner.