Impotenz

Aus Mittelalter-Lexikon
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Impotenz (med.; mhd. unmugende; lat. impotentia = Unvermögen, Unfähigkeit). Alle Arten der Zeugungs- und Empfängnisunfähigkeit (Impotentia coeundi, I. generandi, I. concipiendi, I. gestandi) galten im MA. als Strafe Gottes oder durch magische Kräfte verursacht (impotenta ex maleficio) und waren ein triftiger Scheidungsgrund. Kirchenrechtler hatten sich häufig mit der Frage eines ordentlichen Ehevollzugs zu beschäftigen und kamen zu der Entscheidung, dass – sofern Heilungsversuche des durch Schadenszauber verursachten Defekts erfolglos blieben -, eine Scheidung erfolgen dürfe (so Erzbischof Hinkmar von Reims, 9. Jh. und spätere Theologen wie Ivo von Chartres, 12. Jh. ).
Wenn auch medizinische Kapazitäten der Zeit dem Glauben an magische oder dämonische Ursache einer Impotenz anhingen, so suchten sie doch auch eine wissenschaftliche Erklärung und eine medizinische Behandlung. Hildegard von Bingen hält Männer, deren Säftekonstellation vom kalten Phlegma beherrscht werde, für in ihrer Liebesfähigkeit besonders gefährdet. Folgerichtig empfiehlt sie zur Therapie „feurige“, „erhitzende“ Heilkräuter, welche der Kälte des Phlegmas entgegenwirkten, etwa Hauswurz oder Brennnessel. Außerdem werden in der Klostermedizin Pflanzenteile empfohlen, die schon optisch gemäß der Signaturenlehre eine entsprechende Kraft versprachen, so etwa Spargel- und Selleriestangen, Karotte oder Kalmus. Auf der Liste lustfördernder Arzneipflanzen standen u.a. Knoblauch (Liebeszwiebel), Petersilie, Pfefferminz, Rosmarin, Weißdorn und Zusätze von Gewürzen wie z.B. Gewürznelke oder Pfeffer. Sie konnten in Form eines Aufgusses (Tee) oder als Badezusatz angewandt werden.
Arnald von Villanova (gest. 1312) äußert sich in seiner Schrift "De maleficiis" eingehend zu angehexten Krankheiten, darunter auch zur Impotentia de maleficio und deren Behandlung. Zu Letzterem führt er u.a. die Räucherung des ehelichen Schlafgemachs mit Fischgalle auf sowie exorzistische Rituale.
Als aphrodisierend und empfängnisfördernd galten vor allem Alraunpräparate und das Tragen eines Perlenamuletts. (Nach Hildegard wirkt Alraun als Antaphrodisiacum.)
Der Brauch des zeremoniellen Ausräucherns des Ehebettes vor dessen Erstbesteigung rührt von der Furcht vor angehexter sexueller Unfähigkeit.
Aus zeitgenössischen Prozessakten geht hervor, dass sich in vielen Fällen betrügerische "Doktoren" gegen hohe Gebühren erbötig gemacht haben, Impotenz der Männer (und Unfuchtbarkeit der Frauen) zu kurieren. Da diese Quacksalbereien - von gelegentlichen psychosomatisch bedingten Erfolgen abgesehen - ausnahmslos erfolglos bleiben mussten, fanden sich die beteiligten Parteien vor Gericht wieder, das auf hohe Geldbuße für die Betrüger erkannte.
(s. Ehescheidung, Liebestränke, Nestelknüpfen, Potenz)