Jagdtraktate
Jagdtraktate. Die Hohe Jagd gehörte zu den faszinierendsten Betätigungen höfischer Kreise und fand entsprechenden Niederschlag in der ma. Literatur. Als Jagdallegorie umschrieb sie Liebeswerben und Minnedienst mit jagdlichen Praktiken (z.B. "Die Jagd" von Hadamar v. Laber). In Form von Fachbüchern wurde theoretisches und praktisches Wissen um Jagdwild, Beizjagd, Hetze, Fallenstellerei usw. zusammengetragen. Wissensträger waren außer den adligen Jagdherren Berufsjäger, Forstmeister, Vogler und Leute, denen die Zucht, Abrichtung und Haltung von Jagdhunden aufgegeben war.
Wohl das bekannteste Beispiel der Gattung Fachschrifttum zur Jagd ist das Falkenbuch ® Friedrichs II. (1194 - 1250). Aus eigener Erfahrung und aufgrund arab. Quellen vermittelt es Wissen zu Zucht und Dressur der Greifvögel, zu Anatomie, Vogelflug und -wanderung, zur Praxis der Beizjagd u.a.m. Das Buch fand in Deutschland keinen großen Anklang, da Friedrich hauptsächlich die Jagd mit Falken behandelt, während in Deutschland vornehmlich mit Habichten gebeizt wurde. - Ebenfalls im 13. Jh. entstand "De arte bersandi" (über die Pirschjagd auf Rotwild) eines "miles teutonicus" namens Guicennas. Das Werk gibt Anleitungen zur Aufspürung des Wildes, zur Abrichtung der Hunde und zur Jagd mit der Armbrust; es gilt als wichtige Dokumentation frühen deutschen Jagdbrauchtums. - Um 1400 erschien das anonyme "Beizbüchlein", in dem das Abrichten von großen und kleinen Beizvögeln und von Jagdhunden beschrieben wird sowie beider jagdliche Zusammenarbeit. Die Schrift geht zurück auf frühere Schriften ("Ältere" und "Jüngere Habichtslehre", 14. Jh.) und enthält einen veterinärmedizinischen Anhang. - Anfang des 15. Jh. entstand am Heidelberger Hof das "Puoch von den valcken, habichen, sperbern, pfäriden und hunden" des Arztes ®Heinrich Mynsinger, das auf das Falkenbuch Friedrichs II. und auf den "Liber de animalibus" des Albertus Magnus zurückgeht. - Aus dem um die Mitte des 14. Jh. entstandenen allegorischen Gedicht "Jagd und Buhlschaft" des Hadamar von Laber sind jagdübliche Zurufe an die Hunde und das Wild zu entnehmen. - Ende des 14. Jh. kam die "Lehre von den Zeichen des Hirsches" heraus, in der besonders von der Fährtenlehre bei der Pirsch gehandelt wird. In deutscher Übersetzung kursierte seit Ende des 14. Jh. eine Übersetzung des 10. und eines Teils des 9. Buches von "Opus ruralium commodorum" des Petrus de Crescentiis, entstanden um 1306. Darin steht Wissenswertes über den Fang wilder Tiere, über Vogelfang, Vogelschießen, Wildgehege, Fasane u.a.m. An sma. dt. Werken sind überliefert "Lehre von den Zeichen des Hirsches", "Deutsche Habichtslehre", "Vogelfang und Hasensuche".
Der Bestand deutschsprachiger Jagdtraktate nimmt sich gegenüber dem in französischer Sprache geschriebenen eher bescheiden aus; was an einschlägigen Schriften zu finden ist, ist an frz. Vorbilder zumindest angelehnt, wenn nicht aus diesen übersetzt. Hinweise auf Jagdarten und -gebräuche sind auch in Rechtsbüchern, Weistümern, Urkunden, Heldensagen und in Werken der höfischen Dichtung zu finden.
Einige Beispiele für einflussreiche frz. Jagdtraktate: "La chace don cerf" (Jagd auf Hirsche), angeblich verfasst von König Ludwig IX. d. Heiligen von Frankreich (13. Jh.); "Le Art de Venerie" (Anfang 14. Jh., von Maistre Guyllaume Twici); "Trsor de Venerie" (Mitte des 14. Jh., von Hardoin); "L'art de Facaunerie" (14. Jh., Guillaume Tardif); "Le livre de chasse" (geschrieben von Henri de Ferrieres, 14. Jh.) behandelt jagdliche Regeln, Bogenschießen, Fallenstellerei, Beizjagd, Vogelfang, Krankheiten und deren Behandlung u.a.m. Ein anderes, ebenfalls weitverbreitetes "Livre de chasse" (verfasst von Graf Gaston de Foix, der sich Gaston Phoebus nannte; 14. Jh.) gibt eine systematische Aufstellung des Jagdwildes (15 Tierarten), beschreibt Jagdhunde, Parforcejagd, verschiedene Arten das Wild zu Hetzen, Pirsch und Hasenjagd; daneben finden sich Ratschläge für Bauern, wie sie Vorsorge gegen Flurschäden durch Schwarz- und Niederwild treffen können. Das Werk wurde als reich bebilderte Handschrift für Philipp den Kühnen kopiert und ging Ende des 15. Jh. in Druck.