Joachimitismus

Aus Mittelalter-Lexikon
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Joachimitismus. Die Lehre des ®Joachim von Fiore von dem in nächster Zukunft zu erwartenden Anbruch des letzten der drei Zeitalter, von dem Heraufkommen eines neuen Mönchtums und von dem in der Wendezeit auftretenden Antichrist fand viele erwartungsvolle Anhänger; diese hielten an der Endzeitehre fest, auch nachdem mehrere der errechneten Zeitpunkte für das Anbrechen des tertius status ereignislos vorübergegangen waren.
Besonders die Franziskaner-Spiritualen sahen sich in der Rolle der angekündigten neuen Ordensgemeinschaft – waren sie doch diejenigen, die sich am striktesten an der apostolischen Lebensweise ausrichteten. Hatten Joachims Lehren über das Armutsideal nichts Wesentliches ausgesagt, so spielte sie im franziskanischen Joachimitismus eine zentrale Rolle; dieser verband die Armutslehre des hl. Franz mit Joachims endzeitlichen Spekulationen. In den Repressionen, denen sie seitens der Kirchenoberen ausgesetzt waren, erkannten die Spiritualen das Wirken des Antichrist. Die Grenze zur Ketzerei haben unter den Franziskaner-Spiritualen – Erkenntnissen der Inquisition zufolge – nur deren italien. Zweig, die fratecelli, überschritten, die entsprechend verfolgt wurden.
Eindeutig ketzerische Verzerrung fand der Joachimitismus bei Leuten ohne gelehrte Bildung. Ein solcher war der ital. Laie Gherardo Segarelli, der um 1260, nachdem ihm der Eintritt in den Franziskanerorden verwehrt worden war, sein Vermögen unter die Armen verteilte und unter den Bauern von Parma die Sekte der Apostolischen Brüder (Apostelbrüder, Apostoliker) gründete. Sie nannten sich auch minimi, gaben sich also noch bescheidener als die Minoriten (minores), zogen in Lumpen, mit langem Bart und langhaarig, stets in Begleitung von Apostelschwestern durchs Land und fanden im Volk einigen Anklang. 1274 wurde ihre nicht autorisierte Brüderschaft durch das Konzil von Lyon gebannt; 1285 wiederholte Honorius IV. den Bannfluch, 1290 erneuerte ihn Nikolaus IV. Segarelli wurde festgenommen und 1300 in Parma verbrannt. Als sein Nachfolger trat Dolcino auf, ein Priestersohn mit rudimentärer Bildung und hinreißendem Redetalent, unter dem die Sekte noch deutlicher häretische Züge annahm. Er sagte die unmittelbar bevorstehende Vertilgung des gesamten kathol. Klerus voraus und den Triumph der Apostlergemeinde unter einem engelgleichen Papst. Dolcino beantwortete die Nachstellungen der Inquisition mit räuberischer Gewalt, und es bedurfte eines Kreuzzuges, um ihn 1307 gefangennehmen und zusammen mit seiner Lebensgefährtin Margarete foltern und verbrennen zu können.