Kartenspiel

Aus Mittelalter-Lexikon
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Kartenspiel (spätmhd. karte = steifes Blatt Papier, bemaltes Blatt, Spielkarte; lat. charta lusoria). Das Spiel mit Karten wird in einer venezianischen Handschrift von 1299 erwähnt; es dürfte aus dem Orient gekommen sein und verbreitete sich im 14. Jh. in ganz Europa. Der erste gesicherte Nachweis einer deutschen Kartenmacher-Innung stammt von 1377.
Gewisse Anhaltspunkte deuten auf eine Verwandtschaft des Kartenspiels mit dem Schachspiel hin: König und Königin (Dame) sind beiden gemeinsam, auch gab es früher einen Kartenwert "Caval" (Pferd, Springer). Außerdem enthielten ältere Kartenspiele 32 Karten, entsprechend der Figurenzahl beim Schach. Die vier Farbsymbole Stab, Kelch, Münze und Schwert, später Glocke (Schelle), Herz, Blatt und Eichel sollen für die vier Stände stehen: Adel (versinnbildlicht durch den Herrscherstab oder das Glöckchen des Jagdfalken), Geistlichkeit (durch den hl. Kelch oder das Herz symbolisiert), Gutsherrschaft (Münze oder Laubblätter) und Bauern (Schwert oder Eichelmast). Im 14. Jh. kam die Unterteilung der Farben in Kartenwerte Bube, Dame, König, Ass auf. Der Dominikanerpater Johannes von Rheinfelden verfasste 1377 eine moralsierende und ständepolitische Auslegung des Kartenspiels unter dem Titel "De moribus et disciplina humanae conversationis id est ludus cartularum" (auch: "Ludus cartularum moralisatus"), wobei er sich auf ein Spiel von 4x13 Karten bezieht. Vorbild dürfte die Schachallegorie seines Ordensbruders Jacobus de Cessolis" gewesen sein (s. Schach).
Spielkarten waren anfangs handwerklich gefertigte Luxusartikel, das Kartenspiel von daher nur den Oberschichten zugänglich. In Nürnberger Chroniken werden um 1384 Kartenmaler (lat. pictores chartarum lusoriarum) als eigener Berufsstand erwähnt, um 1400 gab es in Ulm schon eine Zunft der Kartenmaler. Als ab etwa 1450 die Herstellung von Kartenblättern mittels hölzerner Druckstöcke (s. Holzschnitt) billige Massenproduktion erlaubte, wurde das Kartenspiel zum Volksvergnügen. (s. Spielleidenschaft)
Kartenbezeichnungen, Spielregeln und Kartenzahl waren ständigem Wechsel unterworfen, dagegen verfestigte sich mit dem Durchbruch der Geldwirtschaft die negative Bewertung der grassierenden Spielleidenschaft ("Gebetbuch des Teufels"). Sittenprediger brachten sie mit Sauferei, Hurerei, Rauferei und Betrug in Zusammenhang. Von 1377 an wurden in Deutschland Kartenspielverbote erlassen, deren häufige Erneuerung nicht gerade für ihre Wirksamkeit spricht. Wenn auf einem Nürnberger Holzschnitt von 1454 das Verbrennen von Brettspielen und Spielkarten dargestellt ist, so zeigt dies die offizielle Tendenz, nicht aber die tatsächliche Durchsetzbarkeit von Spielverboten.