Kindestötung

Aus Mittelalter-Lexikon
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Kindestötung (lat. infanticidium). Im FMA. war die Tötung unerwünschter, missgebildeter oder schwächlicher Neugeborener nicht ungewöhnlich, wie schon aus den zahlreichen Strafandrohungen in kirchlichen Bußbüchern abzuleiten ist. Wirtschaftliche Not dürfte weniger oft der Anlass zur Säuglingstötung gewesen sein als postpartale Depression oder die Angst unehelicher Mütter vor Schande und Ächtung. Mädchen scheinen öfter getötet worden zu sein als Jungen. Verurteilungen wegen Kindstötung sind selten belegt, möglicherweise deshalb, weil das Delikt als Unglück oder normaler Sterbefall getarnt wurde (Erdrücken beim Schlafen im gleichen Bett, unregelmäßiges oder verweigertes Stillen). Vorsätzliche Neugeborenentötung erfolgte überwiegend durch Ersticken, Nahrungsentzug oder Ertränken. Den städtischen Grubenreinigern war aufgetragen, beim Räumen der privaten "heymlichen gemachen" auf widerrechtlich darin Entsorgtes – besonders auf Kindesleichen – zu achten und davon Meldung zu machen.
Die Tötung von Kindern im Alter von über einem Jahr war meist die Folge von Körperverletzung ohne Tötungsabsicht (im Affekt) oder von Geisteskrankheit eines der Eltern. Bei Gerichtsverfahren wurde die Ursache von Kindsmord häufig entschuldigend in einem Anfall von Wahnsinn gesehen.
Auf Kindestötung stand dem Schwabenspiegel (ca. 1275) zufolge die Strafe des Lebendig-begraben-werdens mit Pfählung oder des Ertränkens. Auch ein Tiroler Rechtssatz v. 1499 fordert: „Welhe fraw ain kind verthut, die sol lebendig in das erdtrich begraben und ain phal durch sy geschlagen werden“. (Nicht klar erscheint, ob die Strafe wirklich vollzogen oder nur präventiv – umb mehr forcht willen – angedroht worden ist.) Zumindest bei der Tötung unehelich geborener bestand kein großes Strafbedürfnis, war doch kein Dritter in seinen Rechten beeinträchtigt.
(zu Kindesmord s. Blutfrevel, Hexendelikte, Hexensalbe, Zwillinge)