Kogge

Aus Mittelalter-Lexikon
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Kogge (mniederd. kogge, wahrscheinlich = kugelförmiges Schiff). Im 9./10. Jh. kannte man an den friesischen Küsten einen Schiffstyp mit Klinkerbeplankung, flachem Boden, steil ansetzenden Seitenwänden und Steven, die sich erheblich von den Drachenbooten der Wikinger und vom niederländ.-engl. Holk unterschieden. Der flache Boden weist auf die ursprüngliche Konzeption dieser Schiffe als Wattfahrzeuge hin: sie liefen bei Flut über flaches Wasser bis in Küstennähe, um sich bei Ebbe auf den trockengefallenen Grund zu legen. Sie trugen dem wachsenden Bedarf an Schiffsraum für Lasten und Passagiere Rechnung und entwickelten sich bis zum Anfang des 13. Jh. an der Nordsee und Ostsee zu je einem besonderen Typ der Kogge. Die Nordseekogge erscheint als bauchiges, hochbordiges Schiff mit Rah- statt Luggerbesegelung, Stevenruder statt Seitenruder und einer hohen Plattform (Kastell) über dem Heck. Die Ladefähigkeit betrug zumeist 60 - 90 to (entsprechend etwa 30 bis 45 „last“, wobei ein last ungefähr der Ladung eines vierspännigen Lastwagens entsprach). Ein Bremer Exemplar der Kogge von ca. 1380 (gefunden 1962) ist 23,3 m lang, maximal 7,6 m breit und hat eine Seitenhöhe von 4,26 m (mittschiffs). Es hatte eine Ladefähigkeit von 80 – 100 to, einen Tiefgang von 1,25 m (leer) bzw. 2,25 m (beladen) und wurde von 16 bis 20 Mann (etwa 1 Mann pro 5 last) bedient. Der Rumpf war am Boden in Kraweel- an den Seiten in Klinkerbauweise beplankt und hatte Spanten aus gewachsenem Krummholz. (Bei der Kraweel-Beplankung stoßen die Planken stumpf aneinander, bei der Klinkerform überlappen sie sich dachziegelartig.) Die Fugen zwischen den Planken wurden mit Werg (einem beim Flachshecheln anfallenden Abfallprodukt), mit Wolle, Tauwerk und Kuhhaaren abgedichtet; der Rumpf unterhalb der Wasserlinie wurde mit Pech, Teer und Schwefel gegen Fäulnis, Verwitterung und ®Schiffsbohrwurm haltbar gemacht.
Schiffe dieser Bauart konnten auch größere Flüsse hinaufsegeln, so etwa den Rhein bis Köln.
Die 1997 auf der Ostseeinsel Poel entdeckte Kogge („Poeler Kogge“), deren Bau auf kurz nach 1354 datiert wird, stellt nach Form und Größe einen von der Bremer Bauart abweichenden Typ dar. Sie ist von relativ flachem Seitenriss, hat einen spitz zulaufenden Bug, weit ausladenden, geschwungenen Vorder- und steilen Achtersteven, einen runden Boden und ist im oberen Rumpfbereich etwas eingezogen. Die Beplankung der 50 (!) Spanten geschah in Klinkerbauweise. Beeindruckend die Größe: bei einer Rumpfbreite von 8,40 m und einer Länge von 29 m brachte sie es auf eine Ladekapazität von 200 to – etwa der doppelten der Bremer Kogge.
Gegen Ende des 13. Jh. übernahmen die Koggenbauer von England her den Kastellaufbau auch über dem Vorschiff, der – wie das Achterkastell – als Kampfplattformen genutzt werden konnte und Kajüten barg. Das Schiff war wegen seiner hohen Bordwände und wegen der hochaufragenden Aufbauten windanfällig und schwer zu manövrieren. Allein für die Bedienung des ca. 200 m² großen Rahsegels waren 10 Mann nötig. Bei achterlichem Wind von Stärke 6 konnte eine Geschwindigkeit von etwa 7 kn (1 kn = 1,852 km, also ca. 13 km/h) erreicht werden. Bei Gegenwind war das Schiff hilflos, da die Rahbesegelung nicht zum Kreuzen gegen den Wind taugte. Allenfalls konnte im 90°-Winkel gegen die Frontalböen angefahren werden, wobei man aber auf seinem Kurs nicht vorankam. Hunderte von Koggen gingen ihrer mangelhaften Segeleigenschaften wegen in Nord- und Ostsee verloren. Ende des 14. Jh. erließ die Hanse ein generelles Fahrverbot für die stürmischen Wintermonate. (Dafür, dass Koggen nicht gegen den Wind kreuzen konnten, spricht eine Urkunde vom Ende des 13. Jh., derzufolge eine Flotte von Koggen auf der Insel Ösel wochenlang auf günstigen Wind warten musste, ehe sie nach Gotland auslaufen konnte. Der Schiffbau-Spezialist Werner Zimmermann nimmt dagegen an, dass Koggen mit schräg angestellter Rah, wie sie auf dem ältesten Siegel der Stadt Kiel [14. Jh.] dargestellt ist, doch sehr gut hoch am Wind gefahren werden konnten.)
Um die Mitte des 15. Jh. erschienen – als Weiterentwicklung der Koggen – Kraweelschiffe mit zwei oder drei Masten und auf mehrere Rahen verteilten Segeln (s. Seeschiffe). Etwa um die gleiche Zeit wurde die Bewaffnung wehrhafter Schiffe auf Kanonen umgestellt. Man erkannte, dass die Stabilität des Schiffes umso größer war, je tiefer die schweren Geschütze im Rumpf aufgestellt waren. Das Problem, durch tiefgelegene Geschützluken Wasser zu übernehmen, löste man durch außenbords angeschlagene, wasserdicht verschließbare „Stückpforten“.