Minneallegorie, geistliche

Aus Mittelalter-Lexikon
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Minneallegorie, geistliche. Für mystisch bewegte Frauen, insbesonders Nonnen, entstanden geistliche Minneallegorien auf der Grundlage der Brautmystik. Als Beispiel sei das „Buoch von der tohter Syon“ genannt, das ein unbekannter Dichter aus dem alemannischen Sprachraum Ende des 13. Jh. nach dem Vorbild eines lat. Traktats verfasste. Die minnende Seele der Tochter Syons wird unter dem Namen Speculatio (Erwartung) vorgestellt. Sie ist unterwegs auf der Suche nach ihrem himmlischen Bräutigam, und fragt ihre Gespielinnen, die Töchter Jerusalems, um Rat. Diese, Cogitatio, Fides, Spes und Sapientia können ihr nicht helfen. Erst Caritas, die Minne, ist bereit, sie zu ihrem Geliebten zu führen. Beim himmlischen König angelangt, heftet Caritas mit einem Pfeilschuss diesen und die Speculatio auf ewig in Minne aneinander. Das Explicit lautet: "das ewig liecht das Christus Jesus ainer yeglichen gelaubigen sel gemachel amen."
Das lat. Traktat von der Tochter Syon ist auch in mehreren mhd. Prosafassungen erhalten.
(s. Lamprecht von Regensburg, Minneallegorie, Mystik)