Nacktheit
Nacktheit (mhd. nacketuom, nackenheit). Nacktheit war durch die Prüderie der christl. Morallehre als sündhaft diskreditiert. In der darstellenden Kunst war sie nur bei Adam und Eva erlaubt weil biblisch begründet, und selbst hier hatte die Scham – etwa durch belaubte Zweige – bedeckt zu sein (Beispiel am südl. Ostportal des Bamberger Doms). Nackt begab man sich nur zu Bett und begegnete einander im Badhaus. Bei letzterer Gelegenheit scheint man sich allerdings ganz unbefangen und ohne Scham wegen seiner Blöße bewegt und sexuelle Kontakte gehabt zu haben.
In der höfischen Literatur wurde die Nackheit kaum thematisiert, das Ideal war die Verbindung von edlem Leib und schöner Kleidung (leben und wat). Erst der reife Walther von der Vogelweide durchbricht die in der Dichtung übliche Aufzählung von Gott mit "hohen Fleiß" geformter Wange, Kehle, Mund, Hände und Füße und schildert in Gänze den nackten Leib einer schönen Frau, die er heimlich und unbemerkt im Bad belauscht. Dem bis auf das Lendentuch nackten Kruzifixus oder dem nackten Auferstandenen begegnet man erstmals in der Plastik der Stauferzeit (Crucifixi von Halberstadt, Wechselburg, Freiberg; Auferstandener von der Freiberger Goldenen Pforte). In der ma. Kunst verkörpert der nackte Mensch die Sündhaftgkeit des Fleisches, besonders die Wollust, wogegen eine modisch gewandete Gestalt für das Laster der der Hoffart stand. Auch in Darstellungen des Endgerichts werden dem Höllenrachen Nackte und Bekleidete zugeführt.
Bei einer strengen Form des Exorzismus hatte der Energumene nackt und geschoren zu sein. Ebenso war bei der Untersuchung unter Hexereiverdacht stehender Frauen nicht nur völlige Nacktheit geboten, es mussten auch sämtliche Haupt- und Körperhaare entfernt werden, in denen Dämonen nisten, unter denen sich Hexenmale verbergen konnten (s. Hexenprobe). Nacktheit spielte eine besondere Rolle bei ma. Fruchtbarkeitsriten, sollte doch die magische Lebens- und Zeugungskraft der Zelebranten (meist junge Burschen und Mädchen) sich unmittelbar der Erde mitteilen.
(s. Ästhetik, Badhaus, Bett)