Obszönität
Obszönität (v. lat. obszenus = das Schamgefühl, das moralisch-sittliche Empfinden verletzend; mhd. unkiusche). Während in der Sphäre höfischer Kultur unanständige Gesten und Ausdrücke tabuisiert waren, nannte das gemeine Volk geschlechtliche Dinge beim Namen oder besser, es fand Spaß daran, zotig-bildhafte Synonyma zu finden.
Einige wenige Beispiele aus dem Repertoire der mhd. Volkssprache: Für Penis sagte man swanz, phife, zagel, zers, gemecht, knebel, gesell, svertilin, vlegel, minnedorn, der elfte Finger, gots bößewicht oder götzenjackl. Vulva umschrieb man mit vut, votze, kotze, gaffeisen, gulden porten, gulden tor, rosenboslein usw. Für den geschlechtlichen Verkehr benutzte man neben eindeutigen Ausdrücken wie minnen, ez triben, ficken, videlen, voglen, biligen oder vleischen gerne umschreibende Ausdrücke aus der Handwerks- oder Landsknechtsterminologie, wie z.B. holzhawen, scheiterklüben bzw. lanze brechen, sper brechen u.ä. Dem geistlichen Bereich entlehnt sind Ausdrücke wie die horas lesen oder lectiones lesen.
Schwankhaft-obszöne Parodien auf Minnereden sind die Gedichte "Gold und Zers" und "Der Rosendorn" aus der zweiten Hälfte des 14. Jh., deren unbekannte Verfasser lustvoll sexuelle Tabus durchbrechen. In beiden werden die personifizierten Geschlechtsorgane Zers (Penis) und Fud (Vulva) zu Handlungsträgern, die zunächst streiten, sich letztendlich aber versöhnen.
Über Obszönitäten der Gebärdensprache ist nichts überliefert, doch dürften unanständige Gesten (ziemliche unkewsche geperden) bis hin zum Exhibitionismus üblich gewesen sein. Wo schändliches Verhalten zu weit getrieben wurde drohten Strafen bis hin zur Stadtverweisung.
(s. Schimpfworte, Sexualität und Erotik im Schauspiel)