Polo, Marco

Aus Mittelalter-Lexikon
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Polo, Marco (1254 - 1324). Sohn des Fernhändlers Nicolo Polo aus Venedig, welcher zusammen mit seinem Bruder Matteo 1260 - 69 eine Reise zum Großkhan Khubilai unternommen hatte und mit einer Botschaft an den Papst zurückgekehrt war. 1271 brachen die Brüder zu einer zweiten Asienreise auf, um dem Khan ein Antwortschreiben des Papstes und Geschenke zu überbringen. Auf diese Reise nahmen sie den siebzehnjährigen Marco mit. Über Armenien, Persien, Usbekistan das Hochland von Pamir, den Hindukusch entlang durch die Wüste Taklamakan, am See Lop-Nor vorbei gelangten sie nach Nordchina. Am Hof des Großkhans in Xang-tu nahe Peking (Khanbalik) wurden sie freundlich aufgenommen, Marco gar in die Nobelgarde eingereiht, später zum Gesandten und Provinzgouverneur gemacht und auf ausgedehnte Inspektionsreisen durch die chines. Provinzen sowie nach Burma, Bengalen, Tibet und in die Mongolei geschickt. 1292 gestattete Khubilai den Polos – als seekundigen Reisebegleitern einer tatarischen Prinzessin – die Heimreise. Sie umschifften Indonesien und Indien, kamen 1294 nach Hormuz, durchreisten Persien und Armenien und gelangten 1295 von Trapezunt nach Venedig. Während einer Gefangensetzung durch die Genuesen (1298/99) will Marco seinem Mitgefangenen Rustichello seinen Reisebericht diktiert haben – in frz. Sprache, wohl um zu verhindern, dass ihn die Genuesen verstehen und verwerten konnten, "La divisament dou monde" ("Beschreibung der Welt") betitelt, aktueller Reiseführer, Sachbuch und Abenteuerlektüre in einem. Der Bericht war vor allem für Fernkaufleute ein Gewinn, enthielt er doch neben Schilderungen von Land und Leuten wertvolle Informationen über Reiserouten, Handelsplätze, Warenangebot und die Sicherheit der Reisenden im Mongolenreich, in Südostasien, Indien und Rußland. Marco Polo gilt als der erste Europäer, der von der Insel Cipangu (Japan) wusste, die östlich des Festlandes im Ozean liegt; die Insel sei von weißhäutigen, zivilisierten Menschen bewohnt und reich an Schätzen.
Der Bericht wurde alsbald ins Italienische ("Libro delle meraviglie del mondo") und ins Lateinische übertragen, erschien auch in anderen Landessprachen und war die wichtigste Quelle für das geographische Wissen des 14./15. Jh. über Asien. M. Polo, wegen seiner Erzählungen vom unermesslichen Reichtum des Mongolen-Khans (oder wegen des seinen Familienzweig unterscheidenden Beinamens "Emilione") auch "Il Milione" genannt, wird von manchen Historikern und Sinologen (z.B. Herbert Franke, Francis Wood) in seiner Glaubhaftigkeit angezweifelt: in seinen Erzählungen seien wesentliche östl. Gepflogenheiten und Errungenschaften unerwähnt geblieben, so etwa das Essen mit Stäbchen, das Teetrinken, die Kalligraphie, das rationelle Blockdruckverfahren, die Chines. Mauer, Schwarzpulver bzw. Raketen, der Kompass, die verkrüppelten Füße der Damen, das Fischen mit Kormoranen u.a.m. Es sei daher anzunehmen, dass sein Bericht nicht auf eigener Anschauung sondern auf Erzählungen persischer Kaufleute und Karawanenführer beruhe, die er auf seinen Handelsreisen nach Byzanz und Persien gehört und dann kompiliert habe. - Für die Wahrhaftigkeit des Reiseberichts sprechen dagegen die genaue Beschreibung der Währungssituatin im mongol. China, die Schilderung der Papiernoten (gefertigt aus der Rinde das Maulbeerbaums), deren Form und Größe, sowie die Monopolisierung von Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen durch den Staat im Zwangsumtausch gegen Papiergeld sowie eine Aufzählung derjenige Regionen des Reiches, in denen Papiergeld verwendet wurde - im Gegensatz zu Gegenden, in denen Kaurischnecken, Salz, Gold und Silber als Währung umliefen. Ebenso detailreich sind die Schilderungen Polos, die chines. Salzproduktion, deren Lokalisierung und Technik betreffend.
(s. Reiseberichte, Reiseliteratur, Terra australis incognita)