Siger von Brabant

Aus Mittelalter-Lexikon
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Siger von Brabant (Sigerus de Brabantia, Sigurd v. B.; um 1235 – vor 1284). Niederländischer Weltgeistlicher und Philosoph aus Lüttich, studierte an der Pariser Universität und wurde danach einer ihrer bedeutendsten Lehrer der Artistenfakultät. Als Freund des Domherren Robert von Sorbon (1201 – 1274) beteiligte er sich an der Gründung eines Kollegienhauses für unbemittelte Theologiestudenten, das zur Keimzelle der Pariser Universität werden sollte (Sorbonne). Siger setzte sich für die Diskussion der Lehren des Aristoteles und für die Abgrenzung von kirchlicher Dogmatik (fides) einerseits und Philosophie (ratio) andererseits ein. Wo beide einander widersprächen, müsse der Geltungsbereich von Philosophie und Wissenschaft außerhalbe theologischer Zuständigkeit liegen (s. Lehre von der doppelten Wahrheit). Deshalb, besonders aber wegen seiner Hinwendung zu averroistischen Ideen, wurde er von Thomas von Aquin befeindet und vom Bischof von Paris, Stephan Tempier, verfolgt; dieser verurteilt 1270 dreizehn Thesen Sigers als Häresie und droht all jenen die Exkommunikation an, die den betroffenen Thesen anhingen oder sie lehrten. 1272 erging an der Pariser Universität ein Statut, welches allen Magistern der Philosophie verbot, rein theologische Gegenstände zu erörtern und sie darauf verpflichtete, bei philosophisch-theologischen Streitfragen stets zu Gunsten des Glaubens zu entscheiden. Wahrscheinlich haben Siger und seine Anhänger diesen Maulkorberlass dadurch umgangen, dass sie in privaten Räumen lehrten und sich so der universitären Überwachung entzogen; jedenfalls untersagte eine Verordnung vom 2. September 1276, nicht-öffentlich zu unterrichten. Die große Verurteilung von 217 Thesen (7. März 1277) betraf neben Lehren des Siger von Brabant auch einige philosophische Sätze des Thomas von Aquin. Einer Vorladung vor das Pariser Inquisitionstribunal entzog sich Siger durch die Flucht an den päpstl. Hof in Orvieto. Hier wurde er jedoch in Haft genommen und unter dem Pontifikat von Martin IV. vor dem 12. November 1284 durch einen Wächter ermordet.
In seiner Lehre von der Geistseele neigt Siger dem Monopsychismus des Averroes zu und wird deshalb von Thomas von Aquin scharf angegriffen ("Attendite a falsis prophetis").
Bezüglich der Wirkung magischer Künste lehrte Siger, dass sie auf dem Wissen um die Macht der Himmelskörper basiere, nicht auf Dämonenbeschwörung oder Teufelspakt. Dante hat den Siger unsterblich gemacht, indem er ihn neben den Heiligen Thomas v. Aquin und Bonaventura ins Paradies versetzte.
Hauptwerke: "De anima intellectiva" (1270; eine Antwort auf die Schrift "De unitate intellectus contra Averroistas" des Thomas v. Aquin); "Impossibilia" (eine philosoph. Streitschrift); "Quaestiones in tertium De anima" (Fragen zum dritten Buch [der Aristotelischen Schrift] "Von der Seele"); „De aeternitate mundi“; „De necessitate et contingentia causarum“; „De causis“.