Speisenfolge

Aus Mittelalter-Lexikon
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Speisenfolge. Ma. Festessen höfischer Kreise bestanden aus mehreren Gängen, wobei jeder der aufgetragenen Gänge (mhd. traht = die aufgetragene Speise) aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher warmer und kalter Einzelgerichte bestand, aus denen jeder der Gäste nach eigenem Geschmack und Sättigungsbedürfnis auswählte. So kam zwar im Laufe eines solchen Festessens eine große Menge einzelner Speisen auf den Tisch, ohne dass daraus notwendigerweise eine Fressorgie (mhd. vraz; lat. gula) entsehen musste. (Was die Gäste nicht verzehrten, bekamen die Armen.) Die Speisenfolge wurde nicht willkürlich sondern – je nach Jahreszeit – nach den Regeln der Diätetik arrangiert. (Aus dem Regimen sanitatis Salernitanum: „Post pisces nux sit, post carnes caseus adsit“. ) Die einleitenden Speisen sollten nicht Sättigung sondern Appetitanregung bewirken. Am Rande sei bemerkt, dass kein höfisches Bankett ohne Pausen mit Darbietungen von Jongleuren, Akrobaten, Pantomimen, Musikern, und ohne ®Schaugerichte auskam.
Als Beispiel ein Standardmenue aus dem frz. Kochbuch Menagier de Paris (1394; auffällig die Vorliebe für Pasteten):
Vorspeise: Süßwein und Blätterteiggebäck, verschiedenes Obst (Feigen, Kirschen, Pflaumen etc.)
1.Gang: Verschiedene Saucen, Gebratenes Fleisch, gedünsteter oder gebratener Fisch, Kalbspasteten, Sülzen.
2.Gang: Aalpasteten, verschiedene Würste
3.Gang: Hasenpfeffer und Koteletts, Erbsen, Eingepökeltes, Rind- und anderes Fleisch, gekochter Aal und anderer Fisch
4.Gang: Braten (von Kaninchen, Rebhuhn, Kapaun etc.), Fisch (Hecht, Wolfsbarsch, Karpfen), Suppe
5.Gang: Wildgeflügel mit Soße, Milchreis, Pasteten mit heißer Soße, Aal
6.Gang: Lerchenpstete, Fleischpastete, Milch mit Speck, süßer Pudding
Nachspeise (desserte): Verschiedene Süßspeisen (Eingemachtes, Pasteten, Kuchen, Waffeln), Dörrobst (Feigen, Datteln, Weintrauben), geschälte Nüsse und gewürzter Wein (s. Hypocras).
Ein ma. Festschmaus in einem dt. Bürgerhaus könnte aus folgenden Gängen bestanden haben:
1. Gang: Fladenbrot mit Griebenschmalz
2. Gang: Eier in gelber Soße
3. Gang: Flusshecht-Suppe
4. Gang: Rindfleisch mit Rosenkohl
5. Gang: Spanferkelbraten
6. Gang: Kapaunenpastete
7. Gang: Käse
Nachspeise: Bratäpfel.
Am Ende des MA. leisteten sich arrivierte Bürgerliche einen gehobenen Speisenaufwand, der sich von dem der Adligen nur durch einfachere Zubereitung und durch das Fehlen von Wildbret, Edelfischen und Luxuszutaten (Krebse, Reis, Mandeln, Feigen, Puderzucker usf.) unterschied. Ein Festmahl im Hause des Frankfurter Stadtschreibers Ambrosius Dietherich (1500; zit. nach H. Kühnel):
1. Gang: Erdbeeren mit Zucker
2. Gang: junge Hühner
3. Gang: Hammelfleisch gedämpft mit Rosinen, Zibeben und Muskat
4. Gang: gesottenes Schaffleisch mit süßem Topfen
5. Gang: gebratene Hühner
6. Gang: gebratene Hammelkeule
7. Gang: Gans in Sauce
8. Gang: Käse und Kirschen.
In Klöstern strenger Observanz wurde nur eine Hauptmahlzeit mit mehreren Gängen gereicht; sie enthielt zwei warme Speisen, hatte fleischlos zu sein (wobei Geflügel nicht dem Fleisch zugerechnet wurde) und bestand in der Hauptsache aus Brot, Gemüse, Obst, Käse und Fisch. In vielen reichen Klöstern ist man weit vom asketischen Ideal abgewichen und tafelte nach höfisch-luxuriöser Art, wie die hohe Geistlichkeit auch. Als Beispiel die Speisenfolge eines bischöflichen Fastenmenues (!) auf der Kärntner Burg Finkenstein (1486; zit. nach H. Kühnel):
1. Gang: Mandelmus mit Kügelchen aus Weißbrot
2. Gang: frische Fische gesotten
3. Gang: Kraut mit gebratenen Forellen
4. Gang: in Wein gekochte Krebse, zu einem Mus verarbeitet und mit Gewürznelken bestreut
5.Gang: Feigen in Wein gekocht, mit Mandelkernen
6. Gang: gekochter Reis mit Mandelmilch
7. Gang: Forellen in Wein gesotten
8. Gang: Krebse in Wein gekocht
9. Gang: Schmalzgebäck mit Weinbeeren im Teig, mit Staubzucker bestreut
10. Gang: Birnen, Äpfel, Nüsse.