Wyclif, John

Aus Mittelalter-Lexikon
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Wyclif, John (auch Johannes Wiclif; um 1326 - 84). Geboren vermutlich in Hipswell bei Richmond in Yorkshire, studierte und lehrte Philosophie und Theologie in Oxford, verfasste Schriften zu Logik und Philosophie und einen vollständigen Bibelkommentar ("Postilla super totam Bibliam"). Er erwarb sich das Vertrauen des engl. Königshauses, für das er verschiedentlich Gesandschaftsdienste bei der röm. Kurie versah. Bekannt wurde er durch seine Kritik an der reichen Feudalkirche und am korrupten Klerus. Gemäß seiner Schrift "De Civili Dominio" ("Über die weltliche Macht") sollte weltlicher Besitz einzig weltlichen Herren zukommen, die Kirche habe nach dem Vorbild Jesu und der Apostel in Armut und Gleichheit zu leben. Der Staat sei, um das kirchliche Armutsideal durchzusetzen, berechtigt, sich kirchlichen Besitz anzueignen. Als er gegen den päpstlichen Versuch argumentierte, den englischen Klerus vor weltlicher Besteuerung zu schützen, reagierte Papst Gregor XI. mit der Verurteilung von 18 ausgewählten Lehrsätzen Wyclifs (aus dessen Schrift "Über die weltliche Herrschaft").
Wyclif unterschied zwischen der Gemeinschaft der zur Erlösung Vorherbestimmten (der "wahren Kirche") und der real existierenden Kirche, von deren Mitgliedern viele, auch Päpste, Priester oder Mönche, verdammt werden würden. Den kirchlichen Heilsapparat (Priesteramt, Sakramente, Ablässe, Heiligen- und Reliquienkult) hielt er für wirkungslos, Glaubenssätze, die sich nicht von der Bibel herleiten ließen, für Anmaßung. Damit das Volk die Hl. Schrift auch ohne Priester verstehen könne, ließ er sie ins Englische übersetzen. 1373 promovierte er zum Doctor Theologiae und erhielt eine gut dotierte Pfünde in Lutterworth (Leicestershire; 1373) und eine weitere Pfründe an einer Kollegiatskirche. 1374 wurde er nach Brüssel gesandt, um als englischer Botschafter mit einer päpstlichen Gesandschaft zu diskutieren. Die von Wyclif vorgetragenen Argumente für die weltliche und gegen die Macht der Kurie brachten ihm eine Ladung vor das Gericht des Londoner Bischofs ein. Versuche der Kurie, Wyclif zu verhaften und zur Verantwortung zu ziehen (1376, 1379) scheiterten an der Protektion durch den engl. Adel. Erst nach dem engl. Bauernkrieg (1381) wandelte sich die Popularität Wyclifs in Ablehnung, als man ihn der Urheberschaft am Bauernaufstand bezichtigte und die englische Politik sich aus antifranzösischen Motiven dem Papsttum wieder annäherte. Nachdem eine Synode in Oxford 1383 seine Lehren als Ketzerei verworfen hatte, wandten sich seine Beschützer aus Furcht, selbst der Häresie angeklagt zu werden, von ihm ab. Wyclif zog sich auf seine Pfarrei in Lutterworth zurück und schrieb dort bis zu seinem Tod weitere Pamphlete gegen seine Gegner. Endgültig als Ketzerei verurteilt wurde die Lehre Wyclifs erst nach seinem Tode auf dem Konzil zu Konstanz (1415). Der Bischof von Lincoln ließ daraufhin das Grab Wyclifs zerstören und dessen sterbliche Überreste verbrennen.
Wyclifs Abwendung vom römischen Primat und der Universalität des Lateinischen förderte das Englische als Amts- und Schriftsprache.
Für Kontinentaleuropa waren die Ideen des John Wyclif insofern von Bedeutung, als sie in den Volksbewegungen der ®Lollarden und ®Hussiten fortlebten.