Allegorie

Aus Mittelalter-Lexikon
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Allegorie (von grch. all-egorein = anders sagen. Bildhafte, häufig personifizierende Darstellung eines abstrakten Begriffs oder eines Vorgangs. Isidor v. Sevilla: Allegoria est alieniloquium. Aliud enim sonat, et aliud intellegitur“. [das eine hört man, das andere erkennt man daraus]) Dem ma. Denken galten alle Dinge der Schöpfung als Hinweise Gottes auf Wahrheiten des Glaubens und als Sinnbild unserer Seinsumstände. (Alanus von Lille: "Omnis mundi creatura / quasi liber et pictura / nobis est et speculum,/ nostrae vitae, nostrae mortis,/ nostri status, nostrae sortis / fidele signaculum." [Alle Schöpfung ist uns gegeben als Buch, Bild und Spiegel, ist ein getreues Zeichen unseres Lebens, unseres Todes, unseres Zustandes, unseres Schicksals]). Gelehrte Bibelinterpreten suchten die hinter den Bildern der Heiligen Schrift verborgenen Zusammenhänge durch allegorische Ausdeutung (Allegorese) sinnfällig zu machen. Auch Künstler, seien es Skulpteure, Maler oder Dichter, nahmen diese in der Natur oder in der Bibel enthaltenen Hinweise auf, um sie in Form von Allegorien zu verdeutlichen. Allegorische Figuren des Lasters, der Liebe, der Weisheit, der Macht, der Gerechtigkeit usf. veranschaulichten religiöse, wissenschaftliche oder höfisch-galante Inhalte. (Eine Frauenfigur mit Winkelmaß und Zirkel steht allegorisch für die Geometrie; eine gekrönte Frau, die Armillarsphäre haltend, versinnbildlicht die Astronomie; der Kampf zwischen Gut und Böse wird als ritterlicher Zweikampf dargestellt; die Belagerung einer Burg bedeutet das Werben des Minnenden um seine Dame; mit "bluomen brechen" ist der Beischlaf bzw. die Defloration umschrieben; das Bild von Christus in der Kelter will besagen, dass der Erlöser sein Blut für die Eucharistie hergibt wie die Traube ihren Saft in der Presse; die Mühlenallegorie [mystische Mühle] deutet auf die Transsubstantiation des Korns zum Leib Christi in Gestalt der Hostie hin). In besonderer Weise hat sich die ma. Dichtung der allegorischen Weltsicht angenommen. Beispiele allegorisch-didaktischer Poesie sind das Schachbuch des Benediktinermönchs ®Konrad von Ammenhausen, in dem die Schachfiguren als Vertreter der Stände vorgestellt werden (um 1300; s. Schach); "Die Blumen der Tugend" des Tiroler Adligen Hans ®Vintler (1411); die ®Minneallegorien "Die Jagd" des oberpfälzer Adligen Hadamar von Laber und "Die Mörin" des württembergischen Adligen ®Hermann von Sachsenheim. Auch im ma. Schauspiel, sei es bei religiösen, possenhaften oder erbaulichen Aufführungen, waren allegorische Figuren ein häufig verwendetes Ausdrucksmittel. (s. allegorische Gestalten)