Gegengifte

Aus Mittelalter-Lexikon
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Gegengifte (mhd. gegen-schaz; lat. antidotum contra venena, Alexipharmaka). Wo man befürchtete, einem Giftanschlag ausgesetzt zu sein, suchte man sich durch Gegengifte und magische Schutzmittel immun zu machen bzw. vergiftete Speisen durch bestimmte Mittel rechtzeitig zu entdecken. Zwischen natürlichen Abwehrmitteln (z.B. Pflanzen oder Tierteilen) und magischen Praktiken gibt es keine klaren Grenzen. – Hildegard von Bingen empfiehlt, bereits aufgenommenes Gift durch einen Trunk unschädlich zu machen, in welchen eine Löwenquaste oder der Schwanz des Steinbocks eingelegt worden war. Die Löwenquaste dient auch als Giftindikator, wenn man sie am Essplatz neben die Speisen legt: wenn Gift vorhanden ist, würden sich die Speisen im Gefäß rühren, das Gefäß selbst würde anfangen zu schwitzen. Von gleicher Wirkung ist die „Zehe“ (Klaue) des Einhorns: unter Schüssel oder Becher gelegt brächte sie bei Anwesenheit von Gift den Inhalt zum Sieden oder zum Rauchen. Als Antidote nennt Hildegard weiter das Tragen eines Amuletts mit dem getrockneten Herzen einer Schlange, die Einnahme eines pulverisierten Seeigels, einen Trank aus Wein und Pulver aus Storchschnabel-, Malven- und Wegerichpflanzen, die einer aufwendigen Vorbehandlung unterzogen worden waren, und erhitzten Stahl (dieser sei – im Falle von flüssigen Speisen – in diese einzutauchen, oder – bei festen Speisen – in Wein zu kühlen, der danach über die Speisen zu gießen sei. Auch der Schwanz eines Steinbocks, eine Stunde lang in Wein oder ein anderes Getränk eingelegt, bewirkt, dass eingenommenes Gift durch Erbrechen oder durch die Ausscheidungsorgane den Körper verlässt.
Die Wirkung von Giften und Gegegiften ist experimentell an zum Tode verurteilten Verbrechern erprobt worden.
Im Volksglauben galt geweihter Wein, der am 27. Dezember getrunken wurde, als Antidot gegen Vergiftung und Schadenszauber für das ganze folgende Jahr.
(s. Edelsteine, magische Wirksamkeit der; Gifte; Giftprobe, Mithridaticum)