Schuhe
Schuhe (mhd. schuoch, schuo; lat. calceus). Unser Wissen über ma. Fußbekleidung stammt aus literarischen und bildlichen Zeugnissen und archäologischen Funden. Schuhe zählten im FMA. zu den gehobenen Gütern, die Masse der überwiegend bäuerlichen Gesellschaft ging – zumindest sommers – barfuß. In der kalten Jahreszeit mussten Strohwickel, Stoff- und Lederlappen das Schuhwerk ersetzen, bestenfalls hatte man Holzschuhe oder Pantinen, den aus einem Stück derben Leders geschnittenen Bundschuh oder plumpe Leder- oder Filzstiefel. Die Rechts-Links-Unterscheidung wurde bei derart primitivem Schuhwerk meist vernachlässigt; um einseitige Abnutzung zu vermeiden, wurde ein Schuh abwechselnd am rechten oder linken Fuß getragen. Höhergestellte trugen bis zum 11. Jh. sandalenartige, aus einem Stück Leder geschnittene Schuhe mit hochreichender, kreuzweiser Riemenschnürung oder sockenartige Schlupfschuhe nach römischen Vorbild (soccus) mit oder ohne zusätzlicher Besohlung. Bereits in der Karolingerszeit wurde bei höherwertigem Schuhen zwischen rechtem und linkem Schuh unterschieden. Ritter und Reisende bevorzugten durch feste Ledersohlen verstärkte Beinlinge (ledersen), eine Art Kombination von Stiefeln und Lederhose. Adelige und hohe Geistliche trugen niedrige, reich verzierte Schlupfschuhe mit oder ohne Ristriemen. Im 12. und 13. Jh. kamen knöchelhohe Schuhe mit Schnür-, Knöpf- oder Schnallenverschluss sowie waden- und kniehohe Stiefel auf. Bestand das Schuhwerk – ausweislich archäologischer Funde – im 8. – 12. Jh. überwiegend aus Ziegenleder, so bevorzugte man vom 13. Jh. an Kalb- und Rindsleder. Daneben hat es auch Schuhe aus Hundeleder gegeben: Thomas von Chantimpre erwähnt in seinem "Liber de natura rerum" hundsledernes Schuhwerk, und Konrad von Megenberg schreibt im "Buch der Natur": "hündlein schuoch sint guot an den füezen für die gicht; ..."
Vom HMA. an nahm die Farbigkeit auch des Schuhwerks zu, wobei die Farben Rot, Blau und Grün bevorzugt wurden.- Die extravagante Hohe Mode des 14. Jh. brachte aus mehreren Stücken – auch unterschiedlichen Leders – zusammengesetzte Schuhe und den Schnabelschuh (kranech) hervor, dessen Spitze nach einer Kleiderordnung der Zeit zwischen etwa 15 cm (bei Bürgerlichen) und bis zu phantastischen 75 cm (bei Fürsten und Prinzen) weit ausgezogen war. (Von dieser limitierenden Vorschrift rührt die RW "auf großem Fuß leben".) Der Schnabel wurde mit Baumwolle oder Flachs ausgestopft und gegf. auch hochgebunden, um in die rechte Form zu kommen. Unter dem Schnabelschuh wurde eine Holzsandale (Holztrippe) getragen, um das kostbare Schuhwerk vor dem Straßenkot zu schützen. Die Trippen waren mit einem Ledersteg am Fuß gehalten und durch zwei untergelegte Klötzchen erhöht, was zudem den Vorteil bot, den Träger größer erscheinen zu lassen. Die bizarre Schnabelschuh-Mode fand ihren Niederschlag auch bei den Eisenschuhen der Ritterrüstung. Hier waren die aus Metallringen zusammengesetzten Spitzen abnehmbar und wurden im Steigbügel - ausweislich bildlicher Darstellungen - in Zehenrichtung abwärts gekrümmt getragen, um Verletzungen des Reitpferdes zu vermeiden.
Am Ende des MA. wurde der Schnabelschuh als letztes Beispiel höfisch geprägter Schuhmode von dem nur mäßig spitzen „Entenschnabel“ und endlich von seinem extremen Gegenteil, dem in der Zehenrichtung breit ausladenden „Kuhmaul“ („Ochsenmaul“) und den ebensobreiten, über den Zehen geschlitzten „Bärentatzen“ abgelöst. Der Bundschuh (buntschuoch), bei dem Sohle, Oberleder und Schnürriemen aus einem Stück Leder geschnitten waren, blieb in Gebrauch und wurde zu einem typischen Merkmal armer Leute.
Bettelmönche gingen, wo nicht barfuß, in Ledersandalen mit Zehen- und Fersenriemen. Holzschuhe wurden außer von Bauern auch von Stadtbewohnern getragen, wenn die ungepflasterten städt. Straßen sich durch Regen in kotigen Morast verwandelt hatten. Erhöhte Absätze waren bei keinen der genannten Schuharten bekannt.
Eine süddeutsche Schusterordnung aus dem 15. Jh. besagt, dass ärmere soziale Schichten Schuhe mit Riemenschnürung bevorzugten, während wohlhabende Leute Schuhe mit Schnallenverschluss trügen.
Die Schuhmode der Frauen folgte – je nach Stand und mit Ausnahme der Beinlinge – jener der Männer. Sie wurde jedoch kaum augenfällig, da es als äußerst unschicklich galt, dass Frauen den Fuß zeigten. Im übrigen legten Damen Wert auf möglichst zierliches Schuhwerk, entsprach doch ein kleiner Fuß dem Schönheitsideal.
An der Wende des 15. Jh. breitete sich – angeregt vom Vorbild des orientalischen Reiterstiefels – in Europa der Absatz aus, der hier allerdings weniger praktische als modische Funktion hatte.
Im Laufe des MA. wurden Schuhe zu einem der gebräuchlichsten Bedarfsartikel überhaupt. Sma. Quellen zufolge kann der Schuhverbrauch der Stadtbevölkerung auf etwa 100 Paar Schuhe pro Haushalt (Familie und Gesinde) jährlich geschätzt werden. Die hohe Zahl resultierte aus der Kurzlebigkeit der Ware und den schlechten Straßen- und Wegeverhältnissen. Knechte erhielten einen Teil ihres Lohnes in Form von 3 bis 8 Paar Schuh pro Jahr.
(s. Holzschuhmacher, Schuster)