Stammbaum
Stammbaum (neuzeitliche Lehnübertragung von mlat. arbor consanguinitatis = Baum der Blutsverwandtschaft, eigtl. Baum der Abstammung; auch Ahnentafel, genealogischer Baum, Verwandschaftsbaum). Schon im FMA. führten Hochgeborene ihre Abkunft auf prominente Könige, sagenhafte Helden und legendäre Heilige zurück, um die Einmaligkeit und Heiligkeit einer Blutslinie oder die Legitimation von Herrschaftsansprüchen darzustellen. Vom HMA. an wurde der Nachweis, von edlem Geblüt zu sein, d.h. eine bestimmte Anzahl von freigeborenen Ahnen zu haben, benötigt, um die Berechtigung zu Ritterschlag und Turnierteilnahme, zum Eintritt in einen Ritterorden oder in ein adliges Dom- oder Stiftskapitel zu erlangen, sowie zur Vorabklärung der verwandtschaftlichen Beziehungen von Eheaspiranten. Maßgeblich waren die Verwandschaftsverhältnisse im Ehe- und Erbrecht.
Das Bild des Stammbaums geht zurück auf die biblische "Wurzel Jesse" (Jes. 11,1). Der Bedeutung entsprechend wurden Stammbaum-Darstellungen ornamental und figürlich reich ausgeschmückt. Als Beispiele eines Verwandtschaftsbaumes seien genannt: der im Decretum Gratiani aus dem Kloster Benediktbeuren (12. Jh.; München, Bayer. Staatsbibliothek); Kaiser Justinian, dargestellt als Gesetzgeber im Amtsornat, hält vor sich das schematische System eines Verwandtschaftbaumes. Ferner der Luxemburger Stammbaum (Fresko auf Burg Karlstein, 14. Jh.; erhalten als Pergamentkopie); Ahnen der Luxemburger von Noe über Saturn, Jupiter, die Trojaner, Karl d. Gr. und viele andere bis zu Kaiser Karl IV. und der Stammbaum der deutschen Könige (aus der Chronik von St. Pantaleon, Köln, um 1235; in der Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel).
Das Bestreben, eine Blutlinie möglichst weit zurück und auf möglichst prominenten - auch sagenhaften - Vorfahren zu gründen, führte zu den abstrusesten Abstammungsbehauptungen, die von kaum einen Geschichtsschreiber mehr ernst genommen wurden.
(s. Ahnenprobe; Arbor consanguinitatis, Arbor affinitatis; Ehe; Ehehindernisse; Geblüt; Herold)