Investiturstreit

Aus Mittelalter-Lexikon
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Investiturstreit. Zwischen dem Heiligen Römischen Reich (Imperium) und dem Papsttum (Sacerdotium) entbrannte um die Frage nach der Vorherrschaft in der christl. Gesellschaft ein Streit, der vordergründig auf dem Problemfeld der Einsetzung (Investitur) von Bischöfen und Reichsäbten ausgetragen wurde. (In Wirklichkeit ging es um den Kampf zwischen der höchsten geistlichen und weltlichen Gewalt um die Führungsrolle im Abendland. ® Zwei-Gewalten-Lehre)
Nach den Gebräuchen des Reichskirchensystems hatten die Monarchen Geistliche ihrer Wahl in die Ämter von Reichsbischöfen und -äbten gesetzt. Dies war durch eine besondere Zeremonie geschehen (Ernennung, Verleihung von Ring und Stab, Inthronisation durch den König) wobei die Ernannten auf den König verpflichtet wurden. (Der kirchliche Einsetzungsritus war dem Papst vorbehalten und bestand in der Bischofsweihe). Diese Praxis förderte den Ämterkauf (s. Simonie) und die Besetzung geistlicher Ämter mit Persönlichkeiten eigener Wahl (s. Laieninvestitur).
Reichsbischöfe und Reichsäbte waren aufgrund von Grundbesitz und Hoheitsrechten zu Amtsträgern der Reichsmacht geworden und konnten im Konfliktsfalle eher ihrem Quasi-Lehensherrn als dem Papst folgen. Diese Relativierung der Loyalität gegenüber dem Heiligen Stuhl sowie die Ideale der ®Cluniazensischen Reformbewegung ließen den Streit 1075 offen ausbrechen, nachdem Gregor VII. die Laieninvestitur verboten und im "Dictatus Papae" den päpstlichen Anspruch auf oberste Entscheidungsgewalt in allen Belangen der Christenheit aufgestellt hatte. Als Kaiser Kaiser Heinrich IV. sich widersetzte, wurde er von Gregor exkommuniziert (1076), wodurch alle Untertanen des Kaisers vom Treueid entbunden waren. Die Fürsten nahmen die Gelegenheit, die Machtverhältnisse im Reich zu ihren Gunsten zu verändern, sofort wahr, und ergriffen für den Papst Partei. Nur der Gang nach Canossa, bei dem Heinrich durch öffentliche Bußleistung dem Papst keine andere Wahl ließ, als die durch christl. Vergebungspflicht gebotene Absolution zu erteilen, erhielt ihm die Chance, – trotz der Aufstellung eines Gegenkönigs – die Macht zurückzugewinnen. Dies gelang, ohne dass Heinrich in der Sache Zugeständnisse gemacht hatte. Im Wormser Konkordat (1122) wurde zwischen König Heinrich V. und Papst Calixtus II. ein Kompromiss vereinbart, demzufolge die freie kanonische Wahl unter königlicher Aufsicht zugestanden wurde und die Amtsgewalt der Bischöfe in eine weltliche (Temporalia) und eine geistliche (Spiritualia) aufgeteilt wurde. Der gewählte Bischof wurde in Deutschland zuerst mit dem Zepter als Symbol der weltl. Macht (Temporalia, weltl. Güter und Rechte) belehnt, bevor er die Weihe empfing. (In den italienischen und burgundischen Ländern des Reichs war die Reihenfolge umgekehrt.) Die Verleihung der Spiritualia (geistl. Würden und Befugnisse) erfolgte durch den Papst in der zeremoniellen Übergabe von Ring und Stab.