Knien
knien (mhd. kniewen, kniuwen, knien; lat. in genua procumbere, Subst. genuflexio). Vom Judentum ins römische Christentum übernommener religiöser, später (besonders im 10./11. Jh.) auch säkularer Ausdruck der Selbsterniedrigung, demütiger Unterwerfung und reumütiger Bußbereitschaft, des Bittens oder huldigenden Grüßens. Man warf sich zu Füßen (mhd. vuozval, knieval), kniete ein- (meist rechts-)seitig oder beidseitig zu Boden (genuflexio simplex, g. duplex), kroch als Büßer ganze Wegstrecken auf Knien, beugte leicht die Knie oder deutete – als Dame – einen kleinen Knicks an bzw. vollführte einen ausgreifenden Hofknicks.
Der eindringlich-bittende, rechtsrituelle oder liturgische Gestus des Kniens und Kniebeugens war von zeichenhaften Handlungen der humilatio begleitet, wie Entblößen des Hauptes und der Füße, Senken des Kopfes, Heben der Hände, Aufseufzen, Vergießen von Tränen und Küssen der Füße des Adressaten. Die Geste wurde seitens des Gebetenen üblicherweise mit huldvollem Erheben (exaltatio) des Knienden beantwortet.
Der Kniefall wurde nicht nur Höherstehenden gegenüber geübt, auch Fürsten und Könige nutzten ihn gegenüber Ihresgleichen oder auch gegenüber Geringeren, wenn es galt, die Ablehnung einer dringlichen Bitte zu verunmöglichen. Thietmar von Merseburg schreibt über den Fußfall König Heinrichs II. vor der Bamberger Synode (1007): „Jedesmal, wenn der König während der Verhandlungen (sc. über die Gründung eines Bistums in Bamberg) einen ausweichenden Rechtsspruch kommen sah, warf er sich demütig zu Boden“ (Zit. nach Gerd Althoff).
Die geradezu inflationär eingesetzte symbolische Handlung des Fußfalls wurde fallweise auch in trügerischer Absicht missbracht; so soll sich der Erzbischof Hunfried von Ravenna, nachdem er sich Papst Leo IX. zur Versöhnung öffentlich zu Füßen geworfen hatte, mit triumphierend grinsendem Gesicht erhoben haben (1051).
(s. Deditio, Gebärdensymbolik, Prostration)