Mohn

Aus Mittelalter-Lexikon
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Mohn (Schlafmohn, Gartenmohn; mhd. mago, man, mahen; mahenkörnelin, magsamen = Mohnkorn; lat. papaver; papavera = Mohnkörner). Die artenreiche Familie der Mohngewächse (Papaveraceae) ist weltweit in den gemäßigten Zonen beheimatet. Die behaarten Stängel tragen einzelstehende Blüten von weißer, blassrosa oder roter Farbe; daraus entwickeln sich kugelige Kapselfrüchte, aus deren Poren sich bei Erschütterung die Samenkörner entleeren. Hier soll die Rede vom weißblühenden Schlafmohn (Papaver somniferum/schlafbringender M.) sein, einer der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Die einjährige Pflanze enthält in ihren Blättern, Stengeln und unreifen Kapselschalen einen weißen Milchsaft. Der Saft wird in getrocknetem Zustand ®Opium genannt und diente im europäischen Mittelalter als Schlaf- und Betäubungsmittel (s. Drogen, Narkotika). Die opiumfreien, ölhaltigen Mohnsamen waren geschätzt als würzige Zutat zu Gebäck und anderen Speisen und als Öllieferant. Mohnöl ist ein hochwertiges Speiseöl und wurde auch als Bindemittel für Malfarben verwendet. In ma. Schriftquellen ist Mohn häufig erwähnt, so z.B. im „Capitulare de villis“ Karls des Großen, im St. Gallener Klosterplan, in Hildegards „Physika“, im „Macer floridus“ des Odo Magdunensis und bei Albertus Magnus. Als Rauschdroge wurde das Mohnderivat Opium vom FMA. an zwar im Orient und bei den Arabern – als Ersatzdroge für den vom Propheten verbotenen Wein – genossen, im christlichen Abendland kannte man Opium jedoch nur für medizinische Zwecke, wobei man um seine Gefährlichkeit bei falscher Dosierung wusste. Von Suchterscheinungen ist im europäischen MA. nichts bekannt geworden. Außer als Schlaf- und Schmerzmittel wurde Opium auch gegen Husten, Durchfall und Geschwüre verordnet.
Im Kräuterbuch "Macer Floridus" steht zum Schlafmohn: „Man ... fängt die ausfließende Milch mit Schneckenhäusern auf (und) trocknet sie. Denn sie ist ein geeigneter Bestandteil verschiedener Arzneimittel ...“ Als Trunk eingenommen bewirken Mohnzubereitungen Schlummer, Stillung des Durchfalls und des Hustens, Regulierung des Monatsflusses und besänftigt rauhe Stimmbänder („trocknet einen bösen Saftfluss zu den Stimmbändern aus“). Ein Pflaster aus den gestampften Blättern soll das heilige Antoniusfeuer löschen (d.h. es stillt den Schmerz). Gegen Schmerzen jeder Art soll man das Haupt mit einer Mischung aus Rosenöl und Mohnsaft einreiben. Die gleiche Mischung, angereichert mit Safran, wirkt - in die Ohren eingeträufelt - ebenfalls als Schmerzmittel. „Und wenn du diese Mischung noch mit Weibermilch stampfst, kannst du durch solche Einsalbung die Fußgicht ... zur Milde zwingen.“ „Als Zäpfchenverwendet, pflegt sie (sc. diese Mischung) den Schlaf herbeizuführen.“ (Zit. nach J. G. Mayer)
Der ma. Aberglauben sieht in den zahlreichen Samen ein Fruchtbarkeits- und Reichtumssymbol. In diesem Sinn verzehrt an hohen Feiertagen Mohngebäck und gibt den Hühnern Mohnkörner zu fressen, damit sie viele Eier legen. Vor der Haus- oder Stalltür ausgestreuter Mohnsamen soll Hexen und böse Geister fernhalten, da sie die Schwelle nicht überschreiten können, ehe sie die Körner gezählt haben.
(s. Gifte, Ölpflanzen, Heilschlaf, Inkubation)