Pergament
Pergament (mhd., auch perment, perminte, permit, buochvel, vel; lat. membrana) . Der Name leitet sich von der Stadt Pergamon her, wo angeblich um 250 v. Chr. der Beschreibstoff aus Tierhäuten erfunden wurde. Aus dem Orient kam über Rom und Byzanz das Pergament zu uns, und war vom 8. bis zum 14. Jh. das beherrschende Material. Danach wurde es von dem billiger herzustellenden Papier verdrängt. Nur die päpstl. Kanzlei hielt, obwohl seit etwa 715 in Italien Pergament verbreitet war, bis in die Mitte des 11. Jh. am sizilianischen Papyrus fest. Anleitungen zur Pergamentherstellung finden sich in der Handschrift Lucca (800), in der Mappae Clavicula (9./10. Jh.), bei Theopilus (12. Jh.) und in Konrad von Mures Traktat "De natura animalium" (13. Jh.).
Pergament wurde aus feinen, ungegerbten Schafs-, Ziegen- oder Kälberfellen durch folgende Arbeitsgänge hergestellt: Wässern der zuvor gegen Fäulnis und Schädlinge durch Salzen und Trocknen konservierten Felle (um sie zu säubern und die entzogene Flüssigkeit zu ersetzen); 3-6wöchiges Einlegen in starker Kalklauge, dabei täglich mehrmaliges Wenden (zur Lockerung der Haarwurzeln; s. beizen); Entfernen der Oberhaut (Epidermis) samt Haaren und des Unterhautbindegewebs (Hypodermis) samt anhaftender Fleischreste von der als Endprodukt gewünschten Lederhaut (Dermis), ausgeführt mit dem stumpfen, leicht gebogenen Haareisen bzw. mit dem schärferen, sichelförmigen, mit zwei Griffen versehenen Scherdegen (Rundeisen; lat. rasorium, novacula, lunellarium); beide Arbeiten wurden über einem schräg oder horizintal gelagerten Baumstamm, dem „Scherbaum“ verrichtet; Wässern und behandeln mit fettlösenden (Asche, gelöschter Kalk) und gerbenden Mitteln (Tannin); Spannen und Trocknen auf dem Spannrahmen (unter wiederholtem Nachspannen); letztmaliges Schaben auf die gewünschte Stärke und abschließendes Glätten der Fleisch- und Haarseite mit Bimsstein. Da Haar- und Fleischseite unterschiedliches Aussehen hatten, wurde - um ein einheitlicheres Aussehen zu erreichen - Haarseite auf Haarseite und Fleischseite auf Fleischseite gebunden.
Pro Kalbfell erhielt man eine, höchstens zwei Pergament-Doppelblätter (bifolia); demnach musste für einen einzigen Codex eine mittlere Herde ihr Leben lassen. (Für das Evangeliar Heinrichs des Löwen beispielsweise sollen 60 Kälber benötigt worden sein, für die Herstellung des Codex Amiatinus in Wearmouth oder Yarrow im 8. Jh. wurden mehr als 500 Schafhäute verbraucht.) Farbton und Stärke variierten je nach Ausgangsmaterial und Herstellungstechnik. Feinstes, hauchdünnes Pergament ("Jungfernpergament", Velin, charta non nata), etwa in der Stärke von Papier, wurde von Kälber- und Lammfeten gewonnen, deren Haut vorsichtig mit Alaun gebeizt und äußerst behutsam mit einem feinkörnigen Bimsstein geglättet wurde. Für besonders wertvolle Codices wurde Pergament mit Purpur eingefärbt. Pergament-Codices - zumal mit Gold- und Silber verzierte Prachthandschriften - srellten enorme Werte dar; so sollen im 12. Jh. für das kostbare Exemplar einer Prunkbibel zehn Talente (ca. 10 Mark Silber) gezahlt worden sein. - Auf Rahmen gespannt diente Pergament auch als Fensterverschluss.
Hersteller und Hauptverbraucher waren die Klöster; die Hauptarbeit einschließlich Zuschneiden, Falzen und Pressen wurde von Laienbrüdern erledigt, der gelehrte Bruder scriptor war nur noch zuständig für ein letztes Glätten des Pergaments mit feinkörnigem Bimsstein oder einem Eberzahn, sowie das Grundieren mit Kreide oder mit Haftmitteln für Tinte und Malfarben. Vom HMA. an traten auch weltl. Pergamentmacher (permennter, birmenter, buochveller; mlat. pergamentarii, membranarii) auf, die ihre Ware (cartae), zu Dutzenden abgepackt, in Klöstern und Kanzleien feilboten.
Die Codex-Form des Buches hatte sich mit dem brüchigen Papyrus, der zwar gerollt, aber nicht gefaltet werden konnte, nicht entwickeln können. Erst die zäh-elastischen Pergamentbögen ließen sich scharf knicken und problemlos zu einem Band vernähen.
Eine der Fertigkeiten von Schreibern war der rechte Umgang mit dem empfindlichen Beschreibstoff Pergament. Trocknete dieser zu sehr aus, wurde er überhart und uneben und musste an einen feuchten Ort gebracht werden, um wieder beschreibfähig zu werden. Optimale Bedingungen waren bei konstanter Luftfeuchte nicht unter 40 % und bei einer Raumtemperatur um 20 ° C gegeben.
(s. Buchbinderei, Schreiber, Schreibfeder, Palimpsest, Rohrfeder, Tinte)